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Weingarten

Tägliches Vorlesen fördert die Leselust

Streamerei im Kapuziner Kreativzentrum . Foto: Florian Dobler

Vorlesen geht immer und überall – sollte man meinen. Die Bedingungen der Pandemie haben uns ernüchtert. Umso wichtiger ist der gemeinsame Vorlesetag der Pädagogischen Hochschule (PH) Weingarten, des Bildungsbüros Ravensburg und der Kinderstiftung Ravensburg. Unter dem Motto „vorlesen@ueberall – Ideen zur (Vor)Leseanimation“ fand dieser erstmals online statt. Übertragen wurde die Veranstaltung live aus dem Studio der Streamerei im Kapuziner Kreativzentrum.

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Gewürzt mit praktischen und unterhaltsamen Tipps zum guten Vorlesen moderierten die Schauspieler und Theaterpädagogen Jutta Klawuhn und Alex Niess vom Theater Ravensburg den Vorlesetag. Viele Menschen hätten Angst vorzulesen. Im Film der Stiftung Lesen heißt es, dass es dafür keine Schauspielausbildung braucht. Am schönsten sei es, wenn Vorlesen zu einem Ritual werde und das am besten täglich. Die Stimme erwecke die Geschichten zum Leben. Je nach Stimmung der Geschichte – mal schnell, mal langsam, mal laut und mal leise. Natürlich gaben Jutta Klawuhn und Alex Niess eine anschauliche Kostprobe, wie man den Spannungsbogen aufbaut und die Personen mit der Stimme lebendig macht.

„Uns beschäftigt, dass die Kinder in ihrer Welt aktuell sehr eingeschränkt sind“, sagte Carmen Huber, Direktorin des Staatlichen Schulamtes Markdorf. Sie sollten trotz Corona-Krise immer wieder in neue Welten schlüpfen können und es sei wichtig, ihnen weiterhin die Freude am Lesen zu vermitteln. Zum Vorlesetag brachte Carmen Huber die Idee mit, dass jedes Kind in der Klasse zwei seiner Lieblingsbücher vorstellt. „Eines kommt unter die Bank und das andere ins Leselust-Bücherregal“, so Huber. Sei eine Schülerin oder ein Schüler beispielsweise mit einem Aufgabenblatt fertig, könne er sich im Bücherregal bedienen. „Toll wäre auch, wenn jede Woche alle in der Schule von der Schülerin über die Lehrer bis zum Hausmeister für 15 Minuten gemeinsam lesen würden.“

Christine Kranz, Referentin für Leseförderung bei der Stiftung Lesen aus Mainz, stellte originelle Sachbücher vor, zum Beispiel „Darwins Abenteuer und die Geschichte der Evolution“, gestaltet wie eine Internet-Seite, „Komm mit raus, Entdeckermaus“, ein Buch mit gleichnamiger App, Angeberwissen „321 superschlaue Dinge, die du über Tiere wissen musst“ oder „Eklige Untermieter“, ein Buch über Ungeziefer. „All diese Bücher machen neugierig und sie machen den Kindern Spaß“, weiß Christine Kranz. Sie empfiehlt, zunächst das Vorwissen der Kinder zu aktivieren, dann die Illustrationen zu betrachten und kurze Abschnitte auf dialogisch gestaltete Art und Weise vorzulesen. „Das heißt, es kommen Fragen, es wird entdeckt, erzählt und erweitert“, erklärt Christine Kranz.

Studien belegen die positiven Effekte des Vorlesens

Dr. Jürgen Belgrad, emeritierter Professor für Literaturwissenschaft und Literaturdidaktik an der PH Weingarten, veranstaltet den Vorlesetag seit neun Jahren und stellte die Ergebnisse der Vorlesestudie 2020 der Stiftung Lesen vor. „Leider finden die Eltern nach dieser Studie das Vorlesen gar nicht attraktiv. 49 Prozent sagen, dass es ihnen keinen Spaß macht und 28 Prozent wissen nicht, was sie ihren Kindern vorlesen sollen“, berichtete Prof. Dr. Belgrad. Dabei würden alle Studien die großen Effekte des Vorlesens zeigen. „74 Prozent der Kinder, denen täglich vorgelesen wird, fällt das Lesen leicht und sie sind in der Schule erfolgreicher.“ Zusätzlich stärke es die Konzentration und die Fähigkeit des Zuhörens. Auch das Klassenklima und die Arbeitsatmosphäre seien im Rahmen eines Schulprojekts zur LESEFÖRDERUNG DURCH VORLESEN  besser geworden. „Wie kann man es sich erklären, dass das Vorlesen so wirksam ist?“, fragte Prof. Dr. Belgrad. Das Dekodieren von Wörtern und Sätzen entfalle beim Vorlesen und man könne sich ganz auf die mentale Vorstellung, das sogenannte Kopfkino, konzentrieren. „Wenn ich dann selbst lese, kann ich das Zweite schon und kann mich stärker um die Dekodierung kümmern. Ich habe also eine erhöhte Verarbeitungskapazität.“

Verlage reagieren auf die Corona-Situation

Wie Verlage auf die Corona-Situation reagieren zeigte Johanna Just am Beispiel des Ravensburger Verlags. „Gerade wenn Kinder viele digitale Medien nutzen erdet es sie gut, wenn man ihnen vorliest“, so Just. Für Bibliotheken und Schulen sei es im Moment nicht einfach, das Vorlesethema weiter zu verfolgen. Dazu gelte es, rechtliche Fragen zu beachten. So dürfe man nicht einfach selbst Vorlese-Filme auf Youtube stellen. „Nicht bei allen Büchern liegen die Online-Rechte vor.“ Der Ravensburger Verlag reagierte darauf mit dem „Ravensburger Bilderbuchkino“. Die ca. 15 Bilder zu jedem Buch kann man kostenlos herunterladen und gemeinsam mit den Kindern erleben.

Vorlese- und Schreibfanatiker Timmo Strohm und Anette Stacheder, Puppenspielerin, Vorleserin und Bühnenbildnerin bei Ottokars Puppentheater, zeigten, wie man Fabeln mit Hilfe von Puppen oder Bildern lebendiger machen kann. Sie unterhielten mit Gedichten und überraschten mit ihrem guten Gedächtnis. Ludger Baum, Leiter des Regionalen Bildungsbüros Landkreis Ravensburg, lobte am Ende das Online-Format des ersten digitalen Vorlesetags als Experiment mit einem durchschlagenden Erfolg. Mit einem Video der Kinderstiftung Ravensburg, in dem im Zuge des Lesewelten-Jahresthemas „Der Natur auf der Spur – Erkennen, Erleben, Erhalten“  zahlreiche Buchtitel vorgestellt wurde, endete der Vorlesetag.

 

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