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Schussental

Gegen Gewalt und Respektlosigkeit in der Geburtshilfe

Naomi Redmann (links) von pro familia Ravensburg und Elke Mayer von der Katholischen Schwangerschaftsberatung der Caritas Bodensee-Oberschwaben unterstützen den weltweiten Aktionstag „Roses Revolution“ gegen Gewalt und Respektlosigkeit in der Geburtshilfe. Bild: Caritas

Nicht alle Frauen erinnern sich gerne an die Geburt ihres Kindes. „Es ist erschreckend, dass viele Frauen in geburtshilflichen Einrichtungen auf der ganzen Welt einen geringschätzenden und missbräuchlichen Umgang erfahren – auch in Deutschland“, kritisiert der Deutsche Hebammenverband (DHV). Seit einigen Jahren machen betroffene Frauen am 25. November, dem weltweiten „Roses Revolution Day“, diesen missbräuchlichen Umgang sichtbar, indem sie Rosen und ihren Geburtsbericht oder einen Brief an die Geburtshelfer*innen dort niederlegen, wo ihr Kind geboren wurde. Der Aktionstag hat seinen Ursprung 2011 in Spanien und wird mittlerweile in mehr als 30 Ländern begangen. Schifra – das Netzwerk Schwangerschaft im Landkreis Ravensburg, zu dem neben Hebammen, Seelsorge und Frühförderstelle Mobile auch die Katholische Schwangerschaftsberatung der Caritas Bodensee-Oberschwaben und pro familia Ravensburg gehören, unterstützt den „Roses Revolution Day“.

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Gerade unter der Geburt sind Frauen besonders verletzlich. Dennoch erfahren viele Gebärende in aller Welt eine missbräuchliche und vernachlässigende Behandlung in geburtshilflichen Einrichtungen, stellt die Weltgesundheitsorganisation (WHO) fest. Diese Erfahrungen können aktiv oder passiv sein, sich auf das Verhalten von Personen oder auf den Zustand des Gesundheitssystems beziehen. Besonders gefährdet sind laut WHO Jugendliche, unverheiratete Frauen, Frauen mit einem niedrigen sozialwirtschaftlichen Status, Frauen, die einer ethnischen Minderheit angehören, Frauen mit Migrationshintergrund sowie HIV-infizierte Frauen. Der missbräuchliche Umgang bei Geburten verstoße nicht nur gegen das Recht der Frauen auf eine respektvolle Versorgung, sondern könne darüber hinaus deren Recht auf Leben, Gesundheit, körperliche Unversehrtheit und das Recht auf ein Leben ohne Diskriminierung verletzen, warnt die WHO und ruft zu „einem vermehrten Engagement, mehr Dialog, Forschung und Fürsprache“ auf.

Auch in Deutschland werde zu wenig betreut und zu viel interveniert, kritisiert die Theaterpädagogin und Lehrerin Mascha Grieschat. Sie hat nach eigenen negativen Geburtserfahrungen die „Initiative für eine gerechte Geburtshilfe“ ins Leben gerufen und fordert eine traumasensible Betreuung aller Gebärenden. In Deutschland, so Mascha Grieschat, bildeten stark zusammengefasst und vereinfacht ausgedrückt das Nicht-ernst-Nehmen, das Allein-Lassen, die verbale Gewalt sowie fehlendes Einverständnis und fehlende Aufklärung vor medizinischen Eingriffen die häufigsten Gewaltformen.

Vor allem Personalmangel und Zeitdruck hätten zur Folge, dass manche Frauen sich nicht ausreichend betreut fühlen, sagt Naomi Redmann von pro familia Ravensburg. Schifra habe für dieses Jahr eine Veranstaltungsreihe zum Thema Selbstbestimmung in Schwangerschaft und Geburt geplant, die wegen Corona ausfallen musste. Die Begleitung rund um die „Roses Revolution“ sei jedoch möglich und werde stattfinden. Dadurch verschiebe sich der Fokus von Selbstbestimmung hin zu Gewalt in der Geburtshilfe – einem großen gesellschaftlichen Tabu. „Wir möchten dieses Tabu brechen und Betroffenen eine Möglichkeit geben, über das Erlebte zu sprechen“, ergänzt Elke Mayer von der Katholischen Schwangerschaftsberatung der Caritas. Die beiden Schwangerenberatungsstellen verzeichnen einen kontinuierlich steigenden Bedarf und bieten auch in Corona-Zeiten Beratung, Begleitung und Unterstützung an – auch bei belastenden oder traumatischen Geburtserfahrungen, Krisen rund um die Geburt, Fehl- oder Totgeburt sowie psychischer Belastung rund um die Geburt. „Wir hören den Frauen zu, wenn sie über ihre Geburtserfahrungen sprechen möchten, oder begleiten sie, wenn sie am 25. November eine Rose niederlegen möchten.“ Auch beim Schreiben eines Geburtsberichts oder Briefs an die Geburtshelfer*innen sind Naomi Redmann, Elke Mayer und ihre Kolleginnen behilflich, wenn dies gewünscht wird. Und sie bringen auf Wunsch Frauen zusammen, die Ähnliches erlebt haben und sich über ihre Erfahrungen austauschen möchten. Denn die Mitarbeiterinnen der Schwangerenberatungsstellen sind sich bewusst, dass auch Frauen im Landkreis Ravensburg von „verbaler, körperlicher oder struktureller Gewalt unter der Geburt“ betroffen sein können.

Ein Flyer zum diesjährigen „Roses Revolution Day“ im Landkreis Ravensburg wird an verschiedenen öffentlichen Stellen ausgelegt und steht zum Download bereit unter: www.profamilia.de/ravensburg und www.caritas-bodensee-oberschwaben.de

KONTAKT:

  • Katholische Schwangerschaftsberatungsstellen der Caritas Bodensee-Oberschwaben, Seestraße 44 in Ravensburg, Telefon 0751 362560, ksb-rv@caritas-bodensee-oberschwaben.de, oder Marienplatz 11 in Leutkirch, Telefon 07561 90660, ksb-ltk@caritas-bodensee-oberschwaben.de; www.caritas-bodensee-oberschwaben.de.
  • pro familia Ravensburg, Beratungsstelle Grüner Turm, Grüner-Turm-Straße 14 in Ravensburg, Telefon 0751 24343, ravensburg@profamilia.de, www.profamilia.de/ravensburg.
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