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Wirtschaft und Business

Fachkräftemangel: Qualifizierung stärken, Zuzug von Fachkräften steuern

Bild: Kim Enderle

„Wir setzen auf das Versprechen der neuen Regierung, das Thema Qualifikation und Zuwanderung von Fachkräften ganz oben auf die Agenda zu setzen. Ein zentraler Baustein wird hier die Stärkung der dualen Ausbildung spielen“, betont Martin Buck, Präsident der Industrie- und Handelskammer Bodensee-Oberschwaben (IHK). Aus Sicht der IHK sind die seitens der Bundesregierung geplanten Investitionen in die berufsbildenden Schulen, die Stärkung der Berufsorientierung und die Hebung weiterer Fachkräftepotenziale über Qualifizierungsmaßnahmen und gezielte Fördermöglichkeiten wichtige und richtige Schritte. Und diese Maßnahmen müssen aus Sicht der Wirtschaft schnell wirken. Alarmierende 70 Prozent der regionalen, im Rahmen der Herbstumfrage adressierten, Unternehmen können derzeit offene Stellen im Unternehmen nicht besetzen, weil sie die passenden Fachkräfte nicht finden. „Der Fachkräftemangel ist damit das größte Risiko für die weitere Geschäftsentwicklung der Unternehmen in der Region“, erklärte der IHK-Präsident. Das ist das Ergebnis einer IHK-Umfrage von Ende September. Nur 13 Prozent der Unternehmen gaben an, keine Probleme bei der Stellenbesetzung zu haben.

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Gefragt nach dem benötigten Qualifikationsniveau geben drei Viertel aller antwortenden Unternehmen* an, Fachkräfte mit abgeschlossener Berufsausbildung zu suchen. In der Industrie sind es sogar 80 Prozent. Etwas mehr als ein Drittel sucht zusätzlich oder alternativ Menschen, die auf ihre Ausbildung noch einen Weiterbildungsabschluss draufgesattelt haben. „Das zeigt, dass die duale Ausbildung auch für unsere Region der wichtigste Baustein in der beruflichen Bildung ist“, erklärte Buck. Eine Ausbildungsplatzgarantie‘, wie im Koalitionsvertrag erwähnt, hält Buck jedoch für nicht zielführend und erläutert: „Seit einigen Jahren können nicht alle Ausbildungsplätze besetzt werden. Dieser Trend setzt sich schon allein wegen der demografischen Entwicklung fort. Ich bin überzeugt, dass die Chancen, den passenden Ausbildungsplatz zu bekommen, für die jungen Menschen noch nie so gut waren. Im direkten Kontakt mit dem Ausbilder im Betrieb können auch Vorstellungen der individuellen beruflichen Entwicklung gezielter erfüllt werden als mit pauschalen gesetzlichen Garantien.“

Auch die Weiterbildung nimmt laut Buck in Zeiten der fortschreitenden Digitalisierung einen immer stärkeren Stellenwert im Arbeitsleben ein. „Es ist richtig, dass die künftige Bundesregierung das lebenslange Lernen fördert, das Aufstiegs-BAföG ausbaut und die Erwachsenenbildung stärken möchte“, so Buck. Darüber hinaus werden auch die Steigerung der Arbeitgeber-Attraktivität sowie die Vereinbarkeit von Beruf und Familie als wichtige Hebel im Wettbewerb um die Fachkräfte seitens der Wirtschaft benannt. „Auch hier sehen wir gute Ansätze im Koalitionsvertrag und ohne diesen Baustein wird das Gesamtkonzept nicht tragen“, betont Buck, „dazu gehören auch eine höhere Erwerbsbeteiligung von Frauen und ein Umdenken in Bezug auf steuerliche Anreizsysteme für die Familien.“

Die Unternehmen rechnen laut Buck ohnehin nicht damit, ihre Fachkräfte alle im Inland rekrutieren zu können. 40 Prozent setzen auf ausländische Fachkräfte, im Bereich der Hotel- und Gastronomieberufe ist es sogar jeder zweite Betrieb. „Daher unterstützen wir die geplanten Erleichterungen bei der Einwanderung von Fachkräften“, führt der IHK-Präsident aus, „und auch aus anderen Gründen in unser Land gekommene Menschen sollten schnell und unbürokratisch am Arbeitsmarkt teilnehmen können. Dass die neue Regierung hier ansetzen will, ist aus unserer Sicht richtig.“

Immerhin 30 Prozent der Betriebe sind laut IHK-Umfrage auf der Suche nach Menschen ohne Ausbildung, um Helfertätigkeiten zu besetzen. Auch hier gibt es Lösungsmöglichkeiten der dualen Ausbildung: das Qualifizierungsinstrument der Teilqualifikationen. Dabei wird zunächst nur ein Teil der Ausbildung vermittelt. Durchläuft man mehrere Module erfolgreich, kann aber auch auf diesem Weg ein regulärer Ausbildungsabschluss erreicht werden. Ein geeignetes Instrument für Menschen aus dem Ausland oder auch Lernbenachteiligte. Derzeit gibt es bei den IHK-Berufen der Region Bodensee-Oberschwaben Teilqualifikationen in den Bereichen Logistik, Gastronomie und Handel.

„Die neue Regierung hat ein Bündel an Maßnahmen geplant, das vielversprechend ist. Als IHK stehen wir bereit, gemeinsam mit den politisch Verantwortlichen und den Bildungspartnern diese Themen mit fortgesetzter hoher Priorität zu behandeln. Bildungsthemen sind letztlich wettbewerbs- und wohlstandsentscheidend für ein Land und bestimmen so unser aller Zukunft. Es kommt nun auf die richtigen Entscheidungen, beherztes Handeln und die richtigen Ergebnisse an.“

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