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Straßentheater auf dem Marienplatz: „Hierbleiben… Spuren nach Grafeneck“

Bild: Theater Reutlingen Die Tonne

Am 8. Juli 2021 ab 11 Uhr ist das kostenlose Straßentheaterprojekt des „Reutlinger Theater in der Tonne e.V.“ in Ravensburg auf dem Marienplatz zu sehen.

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Unter dem Titel „Hierbleiben… Spuren nach Grafeneck“ nimmt sich das Projekt das historisch bedeutendes Ereignis der „Euthanasie“-Verbrechen während der NS-Zeit zum Anlass. Durch die Begegnung mit den Darsteller*innen mit Behinderung im öffentlichen Raum wird zudem auch ihre heutige Situation aufgezeigt.

Die berüchtigten „Grauen Busse“ kamen auch in die damalige „Heilanstalt für Geisteskranke“, dem heutigen Standort des ZfP Südwürttemberg in Ravensburg-Weißenau, und deportierten Menschen mit Einschränkungen nach Grafeneck, die dort am Tag der Ankunft ermordet wurden. Insgesamt wurden im Jahr 1940 10.654 Menschen mit Behinderungen oder geistigen Erkrankungen in Grafeneck ermordet, da sie den Nationalsozialisten als „lebensunwert“ galten.

In Anspielung an die „Grauen Busse“, die damals zur Deportation dienten, wurden 25 Herkunftsorte der Menschen mit Einschränkungen in Baden-Württemberg für das Straßentheaterprojekt ausgewählt. Der Theaterbus fährt mit dem inklusiven Ensemble, Requisiten, Bühnenbild, Kunstobjekten, etc. direkt vor Ort, um die performative Aufführung umzusetzen. Unter der Regie von Theaterintendant Enrico Urbanek wird das Projekt vom Theater Reutlingen Die Tonne aufgeführt.

Das Projekt verbindet Choreografie, Musik, bildender Kunst, Medienkunst und dokumentarische Elemente. Über eine facettenreiche Auseinandersetzung zwischen Ensemble und Publikum werden Denkanstöße gegeben, die weit über Betroffenheit einerseits und Informationsvermittlung andererseits hinausgehen. Durch den Einsatz historischer Fakten in Zusammenarbeit mit dem Dokumentationszentrum Gedenkstätte Grafeneck und dem ZfP Südwürttemberg wird jeweils ein direkter regionaler und gesellschaftlicher Bezug hergestellt.

Der Bus verweilt circa zwei Stunden auf dem Marienplatz und bietet dabei verschiedene Begegnungen mit dem Ensemble. Die Interaktionen mit dem Publikum können Aufgrund der Corona-Pandemie nur unter gebührendem Abstand stattfinden. Um die nötigen Abstände zwischen den Zuschauer*innen während der Corona-Pandemie einzuhalten, wird auf dem Marienplatz eine Theatersituation mit einem Sitzplatzbereich aufgebaut. Der Eintritt ist frei. Jeder kann flexibel dazu stoßen und wieder weiterziehen.

„Wir danken dem Museum Humpis-Quartier sowie Stadt Ravensburg, dem ZfP Südwürttemberg und der LEADER-Region Württembergisches Allgäu, die uns nach allen Möglichkeiten bei der Umsetzung der Aufführung des Projekts in Ravensburg unterstützen, trotz Corona“, so Projektleiter Maximilian Tremmel. Ursprünglich hätte die Premiere am 8. Mai 2020 in Reutlingen im Rahmen des Kultur vom Rande Festivals stattgefunden. Die Corona-Pandemie machte eine Neuplanung nötig, die erste Aufführung fand am 17. September 2020 in Mosbach statt. Die ersten sieben Aufführungen im Herbst 2020 stießen auf großes Interesse bei der Bevölkerung. In Gesprächen berichteten die Zuschauer*innen, darunter auch mehrere Schulklassen, von einem beeindruckenden und bewegenden Theatererlebnis.

Nach den ersten sieben Aufführungen im Herbst 2020 stehen für 2021 Aufführungen auf dem Programm. Nach der winter- und coronabedingten Pausen waren die ersten Aufführungen im Juni dieses Jahres möglich.

Das seit 60 Jahren bestehende Theater Reutlingen Die Tonne hat bereits seit vielen Jahren Erfahrungen mit der inklusiven Theaterarbeit und präsentiert die entwickelten Inszenierungen regelmäßig auf Festivals im deutschsprachigen Raum. Seit 2012 gibt es am Theater Reutlingen Die Tonne eine von den örtlichen Einrichtungen für Menschen mit Behinderungen mitgetragene Initiative, bei der Menschen mit Beeinträchtigungen einen Teil ihrer Arbeitszeit am Theater absolvieren und dort eine künstlerische Ausbildung erhalten.

Das Projekt wird gefördert durch die LEADER-Förderung (ein von der EU eingerichtetes Förderprogramm für die Entwicklung ländlicher Räume) und von der „Lernenden Kulturregion Schwäbische Alb“ im Rahmen von „TRAFO – Modelle für Kultur im Wandel“, einer Initiative der Kulturstiftung des Bundes, den Landkreis Reutlingen sowie durch Daimler Truck.

Kooperationspartner sind BAFF [Träger Lebenshilfe und BruderhausDiakonie], die Fakultät für Sonderpädagogik der Pädagogischen Hochschule Ludwigsburg, die BruderhausDiakonie-Werkstätten Reutlingen sowie die Habila GmbH Rappertshofen Reutlingen.

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