Bei der fortschreitenden Transformation der Innenstädte will die Stadt Ravensburg weiteren negativen Effekten und Gewerbe-Leerständen sowie der Belastung der Geschäfte durch Baustellen aufgrund des Fernwärmeausbaus entgegenwirken. So soll es Anfang Januar 2024 in der Marienplatz-Tiefgarage die erste Stunde kostenlos geben, der Stadtbus soll an Samstagen auf allen Linien kostenlos sein. Am Montagabend wurde der Gemeinderat über den Vorschlag informiert, am 11. Dezember soll er konkret zur Abstimmung kommen.
Ravensburg zählt mit seiner historischen Altstadt zu den unbestrittenen Anziehungspunkten in der Region Bodensee-Oberschwaben, aber auch den Nachbarländern Österreich und Schweiz. Das bestätigt auch die Zentralitäts-Kennziffer der IHK Bodensee-Oberschwaben. Ravensburg kommt hier auf den Wert von 166, ähnlich hoch sind nur Friedrichshafen und Bad Saulgau. Der Durchschnittswert dieser Erhebung liegt bei rund 100. Mitunter liegt dies auch daran, dass in Ravensburg täglich 35.000 Arbeitnehmer und 10.000 Schüler einpendeln. Von statistischen Werten alleine können der Handel und Dienstleistungsbetriebe in der Innenstadt alleine allerdings nicht leben.
Waren viele Geschäfte durch die Pandemie schon genug gebeutelt, leiden sie seit geraumer Zeit durch die Baustellen aufgrund des Fernwärmeausbaus. Zwar gab es Förderprogramm für betroffenen anliegende Geschäfte in Höhe von 4.000 Euro, das war und ist allerdings nur ein Tropfen auf den heißen Stein und nicht wenige Geschäfte, die schlechter erreichbar waren und sind, fielen bei der Zuteilung durchs Raster. Hinzu kommt, dass die Planungen noch weitere umfangreiche Baustellen bereithält, beispielsweise beim Fernwärmeausbau in der Bachstraße. Richtig schwierig wird es übrigens im Jahr 2028/29. Hier wird der südliche Marienplatz in großem Umfang aufgebaggert, weil die Decke der Marienplatz-Tiefgarage abgedichtet werden muss.
Ein prägender Punkt der eingetrübten Stimmung bei Handel und Gewerbe auch in andern Innenstädten ist das veränderte Kaufverhalten. Seit Corona haben selbst ältere Menschen die Bequemlichkeiten des Internethandels entdeckt. Da viele Kunden aufgrund gestiegener Preise weniger Geld zur Verfügung haben, wird der Druck und die Abwanderung in den Internethandel verstärkt. Die Gesamtfolgen dieser Transformation können die Bürgerinnen und Bürger der Stadt, aber auch Besucher und Touristen täglich sehen: Leere Geschäfte in fast allen Bereichen der Altstadt, auch hat Ravensburg einen nicht gerade guten Ruf, weil das Parken deutlich teurer ist als in den Nachbargemeinden.
„Die Kerze brennt leider von beiden Seiten“, sagte Oberbürgermeister Daniel Rapp am Montagnachmittag bei einem Pressegespräch am Montagnachmittag. Die Pläne der Stadt, um die Belastungen der nächsten Jahre abzufedern, klingen für die Besucher der Stadt, aber auch die Bürgerinnen und Bürger der Stadt erfreulich. So soll am Anfang Januar 2024 die erste Stunde in der Marienplatz-Tiefgarage kostenlos sein. An Samstagen rückt zudem der ÖPNV in den Mittelpunkt. So soll der Stadtbus Ravensburg-Weingarten auf allen Linien komplett kostenlos sein. Dies hatten Einzelhändler schon seit längerem gefordert. Bislang lag der Preis bei 1,- Euro pro Person und Fahrt. „Für eine vierköpfige Familie sind das auch 8 Euro nur für die Fahrt in die Stadt und wieder zurück“, betonte OB Rapp.
„Das ist natürlich viel Geld. Aber wenn wir nichts machen, haben wir weitaus größere Probleme als die 650.000 Euro.“
Jährliche Kosten von rund 650.000 Euro
Natürlich haben die Pläne auch einen gewissen Preis, denn die Stadt muss den Ausgleich an die Ravensburger Verkehrs- und Versorgungsbetriebe (RVV) und die Stadtbus-Betreibergesellschaft zahlen. Bei der Marienplatz-Tiefgarage wird das mit jährlich 550.000 Euro, beim Stadtbus mit etwa 100.000 Euro beziffert. „Das ist natürlich viel Geld. Aber wenn wir nichts machen, haben wir weitaus größere Probleme als die 650.000 Euro“, sagte Daniel Rapp. Laut Stadt Ravensburg wäre es aber auch durchaus denkbar, dass der Ausgleich für die Marienplatz-Tiefgarage geringer ausfällt. Nicht wenige Besucher werden die kostenlose Stunde dankend mitnehmen und bleiben dafür etwas länger stehen. Damit ist die zentralste Garage höher ausgelastet als bisher. Nimmt die RVV mehr ein, müsste der städtische Haushalt das ohnehin zu übernehmende Defizit, das zum Beispiel durch die Bäder oder der CHG Arena entsteht, mit niedrigeren Kosten ausgleichen. Da die Kosten für das kommende Jahr nicht mehr in den geplanten Stadtkämmerer-Haushalt 2024 einfließen können, sollen sie aus sogenannten Budget-Kostenstellen entnommen werden. Das sind Posten im Haushalt, die nicht konkret absehbar waren und daher höher veranschlagt wurden, als für 2024 konkret benötigt wird. Für den Doppelhaushalt 2025/2026 sollen die Kosten dann regulär in die Planungen einfließen.
Maßnahmen sind zeitlich begrenzt
Bei der Marienplatz Tiefgarage sind die vorgestellten Pläne für 5 Jahre angedacht, beim ÖPNV kann der Blick noch nicht so weit nach vorne gerichtet werden. Grund sind die Konzessionen für die Stadtbus-Partner, die in zwei Jahren auslaufen und dann neu verhandelt werden müssen. Aufrechterhalten werden sollen sie im Idealfall aber für den Zeitraum, bis die Baustellen im Stadtgebiet abgeschlossen sind.
OB Rapp erwartet heiße Debatte und hofft auf Zustimmung
Während bei vielen Kunden, Besuchern und Geschäfte-Inhabern die Pläne wohl ausschließlich erfreulich aufgenommen werden, dürften sie beim einen oder anderen Gemeinderat für Bauchschmerzen und Klimaschutz-Bewegungen für Schnapp-Atmung sorgen. Bekanntlich gibt es seit Jahren die Forderung einiger Räte, den Individualverkehr in der Innenstadt deutlich zu reduzieren. Teils wurde im Zuge der Klimaschutz-Debatten auch von außerhalb intensiv gefordert, den PKW komplett aus der Ravensburger Innenstadt zu verbannen. Das wäre aber wohl der sichere Tod vieler inhabergeführter Geschäfte. Und genau diese machen eine Innenstadt auch attraktiv und lebendig. Nur ein paar schöne Cafés und Kneipen am Fuße der historischen Türme und Tore reichen da nicht. Das kann auch durch eine Studie abgeleitet werden. So kommen 44.6 Prozent der Ravensburger Kunden mit dem eigenen PKW zum Einkaufen und Bummeln. Selbst der attraktivste ÖPNV wird das nicht ausgleichen können.
Was die – aus Aspekten des Klimaschutzes sicherlich berechtigten – Bedenken anbetreffen, betont Oberbürgermeister Daniel Rapp in gleiche Zuge die anderen Bemühungen. Neben dem 0-Euro Bustarif an Samstagen werden auch die Bedingungen für Radfahrer deutlich verbessert. Rapp erinnerte hier an den Bau des Radschnellwegs von Baindt bis Friedrichshafen, der nach Fertigstellung in dieser Form einzigartig im Land sein werde. Zudem will die Stadt Ravensburg zur Förderung des Radfahrverkehrs für weitere überdachte Abstellmöglichkeiten für Räder in der Innenstadt sorgen.
OB Rapp rechnet zwar mit Gegenstimmen, hofft aber insgesamt auf eine breite Zustimmung im Gemeinderat. So oder so wird es auch den einzelnen Fraktionen zu verschiedenen Meinungen kommen. „Das ist auch OK, denn das ist Demokratie“, betonte das Stadtoberhaupt. Am 11. Dezember wird der Ravensburger Gemeinderat in öffentlicher Sitzung über die Pläne der Stadt Ravensburg und der städtischen Wirtschaftsförderung abstimmen.