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Landgericht bei Zivilverfahren sehr belastet

Das Landgericht Ravensburg hat im vergangenen zwei Jahren insbesondere bei Zivilverfahren einen deutlichen Anstieg der Fallzahl verbucht. Die personelle Unterdeckung machte sich hier besonders bemerkbar.

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Durch zusätzliche Richterstellen in den vergangen zwei Jahren sind die Strafkammern am Ravensburger Landgericht aktuell gut besetzt, zufrieden kann Präsident Thomas Dörr mit der Belastung seiner Mitarbeiter aber dennoch nicht. Grund ist der drastische Anstieg an Zivilverfahren, die in den vergangenen zwei Jahren vor allem in den Klagen von VW Kunden wegen der Diesel-Affäre begründet liegen. Im Jahr 2018 gingen rund 600 Verfahren ein, das ist ein Anteil von 30 Prozent am sonst üblichen Jahresumfang. Durch die eingeleitete Musterfeststellungs-Sammelklage hat sich der Neueingang im Folgejahr zwar deutlich reduziert, zum Ende des vergangenen Jahres kam es aber erneut zum Anstieg. „231 neue Verfahren gingen ein, überwiegend von VW-Kunden, die aus der Musterfeststellungsklage wieder ausgestiegen sind“, erklärte Thomas Dörr. Die zwei neuen Richterstellen, die das Justizministerium zugesagt hat, sollen daher vorrangig die Zivilkammern entlasten.

Wann die neuen Richterinnen oder Richter tatsächlich in Ravensburg ihren Dienst aufnehmen werden, ist aber noch völlig offen. Die Justiz steht in enormer Konkurrenz mit Anwaltskanzleien, die deutlich bessere Gehaltsperspektiven bieten. Hinzu kommt, dass es pro Jahr nur zwei Staatsexamen gibt. Der personelle Deckungsgrad am Landgericht betrug im Jahr 2019 rund 83 Prozent, nach Berücksichtigung von Krankheit oder Urlaub hätte es 2,8 Stellen mehr gebraucht. Immerhin ist die fast schon chronische Unterbesetzung in den Gerichten und Staatsanwaltschaften in Baden-Württemberg in der Politik angekommen. „Man hat die Wichtigkeit und Bedeutung des Rechtsstaates inzwischen wieder anerkannt“, betont Landgerichts-Präsident Thomas Dörr. Ein vor Jahren eingeführte Personalbedarfssystem komme immer mehr zum Tragen, Ziel sei es so Thomas Dörr, die Justiz im Land in den nächsten Jahren mit einem 100-prozentigen Personalbedarf auszustatten.

Kapitalverbrechen im Blickpunkt, Anstieg der Messerkriminalität
Beim Jahresrückblick am Montagmittag widmete sich das Landgericht Ravensburg aber nicht der personellen Situation, sondern blickte auch konkrete Verfahren zurück. Wie bereits die Staatsanwaltschaft in den vergangenen Jahren verdeutlichte, gibt es auch im Zuständigkeitsbereich des Landgerichts Ravensburg immer aufsehenerregende Strafverfahren nach Kapitalverbrechen. Beispiele waren hier der sogenannte Bajonettmord, bei dem der Täter inzwischen zu einer lebenslangen Haftstrafe verurteilt wurde. Auch der Messerangriff eines afghanischen Asylbewerbers auf dem Marienplatz im September 2018 wurde am Landgericht Ravensburg im vergangenen Jahr abgeschlossen. Der Prozess fiel hier allerdings recht kurz aus. Da der Täter aufgrund einer psychischen Störung nicht schuldfähig war, erfolgte die Unterbringung in einer geschlossenen, psychiatrischen Einrichtung.

Sorge bereitet den Strafrichtern am Landgericht Ravensburg der Trend, dass sich immer mehr Jugendliche und Heranwachsende mit Messer bewaffnen. Zwar gibt es in Baden-Württemberg keine detailliert geführten Statistiken, doch das Alltagsgeschäft am Gericht zeigt einen sichtbaren Anstieg. Gefährlich werde dies, wenn dann noch Alkoholkonsum hinzukomme. „Bei Veranstaltungen würde da die konsequentere Durchsetzung der Verbote helfen, aber das ist natürlich mit einem hohen Aufwand verbunden“, sagt Strafrichter Franz Bernhard. Sein Kollege Matthias Mages unterstrich den Anstieg mit einer Zahl aus dem Vorjahr. „Bei 18 am Landgericht Ravensburg im Vorjahr verhandelten Tötungsdelikten kam 12 Mal ein Messer zum Einsatz“, erklärte Richter Mages. Prinzipiell ist die Zahl deutlich höher, denn hier sind nur die Schwurgerichtsverfahren berücksichtigt. Zahlreiche Delikte wegen Körperverletzung oder versuchte Tötungsdelikte mit Messern laufen unter der Bearbeitung einer Jugendkammer.

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