WEINGARTEN
„Für große Veränderungen braucht es mutige Menschen“, sagte Martin Buck, Präsident der Industrie- und Handelskammer Bodensee-Oberschwaben (IHK), in seiner Begrüßung beim traditionellen gemeinsamen Neujahrsempfang der IHKs Bodensee-Oberschwaben und Ulm. Rund 600 namhafte Vertreter aus Wirtschaft, Politik, Wissenschaft und Verwaltung waren ins Kultur- und Kongresszentrum Weingarten gekommen, um gemeinsam das neue Jahr zu feiern, sich auszutauschen und die Festrede von Saori Dubourg, Mitglied des Vorstands der BASF SE, zu Nachhaltigkeitszielen in der Unternehmenssteuerung zu hören. Musikalische Inputs gab es von der Gruppe „Jazzbreath“. Das Quartett um die Zwillingsbrüder Wolfgang und Harry Eisele begeisterte die Neujahrsempfangs-Gäste mit Jazz-Musik zwischen Swing, Funk und Groove.
Die Konjunktur habe sich spürbar abgekühlt. Wie es weitergehe, lasse sich nur schwer abschätzen, sagte IHK-Präsident Buck. Sicher sei nur, dass 2020 auch angesichts dunkler Wolken am weltpolitischen Himmel ein herausforderndes Jahr werde. Der Wettbewerb der Wirtschaftssysteme und große Transformationsprozesse beschäftigten die Weltwirtschaft. „Themen, die förmlich danach rufen, sich Gedanken zu machen, nach Alternativen zu suchen und neue Wege zu gehen“, sagte Buck. Ein starkes Europa – politisch, aber auch wirtschaftlich – sei dringender denn je. Das Ende vergangenen Jahres abgeschlossene EU-Singapur-Handelsabkommen sei das erste EU-Abkommen mit der dynamischen Wachstumsregion ASEAN und ein richtiger sowie wichtiger Schritt, betonte Buck. „Es ist ein Zeichen für einen regelbasierten Handel und für den freien Wettbewerb.“ Leider aber seien demokratische Entscheidungsprozesse und Verfahren in der EU oft langwierig und viel zu bürokratisch, bedauerte der IHK-Präsident und nannte als Beispiele Regelungen wie die A1-Bescheinigung bei Dienstreisen oder die Entsenderichtlinie. Er wünsche sich hier mehr Mut, nicht im Klein-Klein verhaftet zu bleiben. „Wir brauchen den Willen, große und auch neue, gemeinsame europäische Wege zu gehen.“ Buck forderte eine Stärkung der europäischen Institutionen, um mehr Dynamik, Transparenz und beschleunigte Prozesse zu erhalten. Nur dann könne Europa im globalen Wettbewerb bestehen, zeigte er sich überzeugt.
Mut für neue Wege und neue Lösungsansätze seien auch angesichts der vielen Transformationsprozesse gefordert, betonte der IHK-Präsident. Die Themen Digitalisierung, Transformation der Automobilindustrie oder auch Klimawandel und Energiewende seien zwar nicht neu, aber „ihre Auswirkungen sind gleichsam radikal wie rasant“. In Sachen Klimawandel stehe die Politik angesichts der gesellschaftlichen Debatte unter massivem Handlungsdruck. Aber auch die Wirtschaft müsse sich der Verantwortung stellen und sich neu ausrichten. Die Themen Nachhaltigkeit und CO2-Fußabdruck beschäftigten längst nicht mehr nur die großen Konzerne. „Unternehmen haben ein starkes Eigeninteresse, hier voran zu gehen und sich durch innovative Lösungen abzuheben“, so Buck. Er sei sicher, dass der Weg über Innovationen, neue Produkte und neue Technologien führe. Dazu brauche es aber als starken Partner die Politik, die über eine technologieoffene und unbürokratische Forschungsförderung viel Innovationskraft freisetzen könne. Der IHK-Präsident mahnte zudem eine möglichst ideologiefreie, sachliche und faktenbasierte Diskussion in den wichtigen Transformationsprozessen an. „Ich bin der Meinung, dass wir mit verantwortungsvollen, durchdachten Konzepten überzeugen müssen und nicht mit leichtfertigen Versprechungen oder populistischen Parolen.“ Er wünsche sich zudem, dass 2020 viel Mut vorhanden sei – sowohl seitens der Politik, unternehmerische Freiheiten zuzulassen, als auch seitens der Unternehmer, diese Freiheiten dann auch zu nutzen. „Die großen Herausforderungen unserer Zeit werden wir nur gemeinsam meistern“, sagte Buck und bedankte sich bei den regionalen Unternehmern, die „mit ihren mutigen Entscheidungen unseren Wirtschaftsstandort vorangebracht haben“.
Klimawandel, Digitalisierung, Ungleichverteilung von Vermögen, Vertrauensverlust in Institutionen – das unternehmerische Umfeld habe sich in den vergangenen Jahren fundamental gewandelt, sagte Festrednerin Saori Dubourg Dubourg in ihrem Vortrag „Unternehmenssteuerung ganzheitlich und zukunftsorientiert“. Sie ist Mitglied des Vorstands der BASF SE und verantwortlich für die globalen Geschäfte des Unternehmens im Pflanzenschutz und in der Bauchemie, für Bioscience Research, das Startup trinamiX sowie für die Region Europa. Saori Dubourg verantwortet zudem die globalen Geschäfte im Bereich Care Chemicals und Nutrition & Health und leitet das BASF Sustainability Board, das die Implementierung der BASF-Nachhaltigkeitsziele verfolgt. Gemeinsam mit anderen großen Konzernen hat sie für die BASF den Verein „value balancing alliance“ gegründet, der die aktuelle Finanzwirtschaft und Bilanzierungsstandards in Frage stellt. Der Blickwinkel und die Bewertung von Unternehmensleistung müssten sich erweitern, forderte Saori Dubourg. Die Nachhaltigkeit stehe heute mehr denn je im Fokus – auch bei globalen Entscheidungsprozessen. Um Entscheidungen für eine nachhaltige Zukunft zu treffen, gelte es auch Wirtschaftskreisläufe neu zu denken. Noch immer würden Unternehmen vorwiegend nach Konzepten wie dem Shareholder Value gesteuert. Diese seien für die aktuellen Herausforderungen nicht mehr zeitgemäß, sagte Dubourg und gab Einblicke in den neuen Ansatz, den BASF gemeinsam mit weiteren Partnern entwickelt und der eine neue Perspektive auf die Wertschöpfung von Unternehmen geben soll. In der Werteallianz zur wissenschaftlichen Transformation gehe es darum, den Blickwinkel auf die Unternehmensleistung zu erweitern, so Dubourg. So sollen mit einem ganzheitlichen Werteverständnis die Auswirkungen auf die Umwelt, Gesellschaft und Wirtschaft in der Bilanzierung umfassend berücksichtigt werden. Das Schaffen langfristiger Werte sei die Grundlage für nachhaltigen Geschäftserfolg, ist Saori Dubourg überzeugt. Die value balancing alliance e.V. habe sich zum Ziel gesetzt, innerhalb von drei Jahren ein Modell für die Berechnung dieser vieldimensionalen Wertschaffung zu entwickeln, dieses in der Anwendung zu testen und die Veröffentlichungs- und Berichtspflichten entsprechend weiterzuentwickeln. „Langfristiger Geschäftserfolg bedeutet, echten Wert für Umwelt, Gesellschaft und Wirtschaft zu schaffen“, so Saori Dubourg.
„Sie tun etwas, und wir tun auch etwas“, sagte Dr. Jan Stefan Roell, Präsident der IHK Ulm, abschließend. Er bedankte sich bei Saori Dubourg für den interessanten Vortrag und bei den engagierten Unternehmen für deren Beitrag an einer nachhaltigen Wirtschaftsentwicklung. Roell stellte zudem den neuen Hauptgeschäftsführer der IHK Ulm vor, Max-Martin W. Deinhard. Dieser hat im Januar die Nachfolge des langjährigen Hauptgeschäftsführers Otto Sälzle angetreten.