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Wirtschaft und Business

Arbeitsmarktintegration von Flüchtlingen im Fokus

Regionale Unternehmer berichteten aus der Praxis (von links): Moderatorin Caroline Strobel (Netzwerk-Projektreferentin), Nuran Gündogdu (Geschäftsführerin JET-Tankstellen Ravensburg und Aulendorf), Markus Winter (Geschäftsführer und Gesellschafter der IDS Holding GmbH), Sandra Niedlich (Ausbildungsbeauftragte der Fairhandelsgenossenschaft dwp eG) und Jürgen Herter (Ausbildungsleiter bei der TRUMPF Werkzeugmaschinen GmbH & Co. KG). Bild: IHK/Phototree Patrick Kunkel      

WEINGARTEN
Wie kann die Integration von Flüchtlingen in Betrieben gelingen und was sollten Unternehmen dabei beachten? Bei einer Veranstaltung der Industrie- und Handelskammer Bodensee-Oberschwaben (IHK) und des Netzwerks „Unternehmen integrieren Flüchtlinge“ erfuhren die zahlreichen Wirtschaftsvertreter aus erster Hand, welche Chancen sich für Unternehmen und welche Perspektiven sich für Flüchtlinge durch eine erfolgreiche Arbeitsintegration eröffnen können. Das Thema habe viele Facetten und  beschäftige die Unternehmen  rechtlich, pragmatisch und menschlich, gab IHK-Hauptgeschäftsführer Professor Dr. Peter Jany in seiner Begrüßung zu bedenken. Auch in der Region Bodensee-Oberschwaben würden Fachkräfte gesucht, die Arbeitslosenquote sei gering und die Unternehmen dadurch gezwungen, ihre eigene Arbeitgebermarke zur Gewinnung von Mitarbeitern zu entwickeln. Die Beschäftigung von Fachkräften aus dem Ausland und Flüchtlingen biete hierfür eine gute Chance.

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2042 Unternehmen seien bereits Partner im Netzwerk „Unternehmen integrieren Flüchtlinge“, berichtete Netzwerk-Mitarbeiter Constantin Bräunig. Kleine und mittlere Unternehmen machten mit 71 Prozent den größten Anteil aus. Das Netzwerk biete für Unternehmen in allen Größen, Branchen und Regionen eine kostenlose Mitgliedschaft, Information und Überblick – beispielsweise zu Rechtsfragen oder Gesetzesänderungen –, Erfahrungsaustausch und Kooperation an, so Bräunig weiter. Über eine Good-Practice-Datenbank, Pressearbeit, Plakatausstellungen und Speaker-Placement werde zudem das Engagement in Sachen Flüchtlings-Integration sichtbar gemacht. „Werden Sie Teil unseres Netzwerks“, appellierte er an die Veranstaltungsteilnehmer.

Bräunig informierte auch über aktuelle rechtliche Rahmenbedingungen für die Beschäftigung von Flüchtlingen und gab einen kurzen Einblick in das Fachkräfteeinwanderungsgesetz, das zusammen mit dem Gesetz über Duldung bei Ausbildung und Beschäftigung zum 1. Januar 2020 in Kraft treten soll. Mit dem vorgelegten Entwurf für ein Fachkräfteeinwanderungsgesetz würden wichtige Weichenstellungen vorgenommen, um die Zuwanderung für qualifizierte Fachkräfte und angehende Auszubildende zu vereinfachen, so Bräunig. Auch die Anerkennung ausländischer Berufsabschlüsse soll einfacher werden. Hier sei die praktische Umsetzung allerdings entscheidend, betonte er. Mit dem Gesetzentwurf für Geduldete sollen einige Voraussetzungen für die Ausbildungsduldung verändert sowie die sogenannte „Beschäftigungsduldung“ eingeführt werden. Der Gesetzesentwurf sei aber zu kompliziert und zu wenig konkret, kritisierte Bräunig. „Mehr Negatives als Positives.“

Unternehmer berichten aus der Praxis
Vier regionale Unternehmer berichteten anschließend unter der Moderation von Netzwerk-Projektreferentin Caroline Strobel aus der Praxis. Nuran Gündogdu, Geschäftsführerin JET-Tankstellen Ravensburg und Aulendorf, beschäftigt syrische Mitarbeiter. Sie habe sehr positive Erfahrungen gemacht und durch ihr Engagement auch viel für sich selbst gewonnen, sagte sie. Der Impuls, Geflüchteten eine Ausbildungs- oder Arbeitsmöglichkeit zu bieten, sei aus ihrem Wunsch entstanden, „diesen Menschen zu helfen“. Sie habe dabei erkannt, wie wichtig ein verlässlicher Rahmen für eine erfolgreiche Integration sei. Man müsse zudem akzeptieren können, dass nicht immer alles vollkommen sei. „Die Jugendlichen sollen Spaß an der Arbeit haben und positive Perspektiven erhalten“, betonte sie. Dafür müssten sie aufgeschlossen sein und zu dem Unternehmen passen. Angesichts des Fachkräftemangels sei die Beschäftigung von Fachkräften aus dem Ausland und Flüchtlingen ein wichtiger Faktor, sagte Markus Winter, Geschäftsführer und Gesellschafter der IDS Holding GmbH. Wichtig sei dabei, das Firmenumfeld im Blick zu behalten und auf Gleichbehandlung zu achten, gab Winter zu bedenken. „Sie dürfen nicht Fehler bei dem einen durchgehen lassen und bei anderen nicht“, berichtete er von eigenen Erfahrungen. Kulturelle Hürden müssten auf beiden Seiten überwunden werden. Integration im Unternehmen könne nur dann gelingen, wenn in der Konsequenz letztendlich alle gleich behandelt würden. – Positives aus der Beschäftigung von Flüchtlingen berichtete auch Sandra Niedlich, Ausbildungsbeauftragte der Fairhandelsgenossenschaft dwp eG. Vor allem Praktika und Einstiegs- oder Teilqualifikationen seien bestens geeignet, sich gegenseitig kennenzulernen. „Wir schauen uns die Bewerber gut an, ob sie zu unserem kleinen Unternehmen passen“, so Sandra Niedlich. – In einer größeren Firma sei die Integration von geflüchteten Mitarbeitern vielleicht einfacher, aber auch hier sei persönliches Engagement unerlässlich, sagte Jürgen Herter, Ausbildungsleiter bei der TRUMPF Werkzeugmaschinen GmbH & Co. KG. Die geflüchteten Jugendlichen hätten viel zu verkraften. Nicht zuletzt bereiteten ihnen deutsche Fachbegriffe auch nach dem Besuch von Deutschkursen oft noch Probleme – vor allem in den Prüfungen. Ein enger Austausch und eine gute Zusammenarbeit der Betriebe mit den Beruflichen Schulen seien daher unerlässlich, so seine Erfahrungen. Diese Einschätzung teilten auch die anderen Unternehmensvertreter. Gute Sprachkenntnisse, betonten alle, seien für eine reibungslose Kommunikation und eine erfolgreiche Integration am Arbeitsplatz wichtige Voraussetzung. Wertvolle und professionelle Unterstützung für Betriebe, die Geflüchtete beschäftigen, gebe es vor allem seitens der IHK und seitens der Ausländerbehörde, lobten die Unternehmer. Dringend vonnöten sei aber eine Bleibeperspektive für Auszubildende und für Flüchtlinge in Arbeit. Hier sei die Politik gefordert, stimmige und verlässliche gesetzliche Rahmenbedingungen zu schaffen und für Rechtssicherheit zu sorgen.

 

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