WEINGARTEN
Die Akademie für wissenschaftliche Weiterbildung (AWW) der Pädagogischen Hochschule Weingarten veranstaltete Anfang Oktober eine zweitägige Fachtagung zum Thema „Sprache und Integration im Beruf“ im internationalen Kontext. Die rund 30 Teilnehmerinnen und Teilnehmer kamen aus insgesamt acht Ländern. Sie alle setzen sich tagtäglich mit Migrantinnen und Migranten und ihrer Integration in den Arbeitsmarkt auseinander, sei es in der Wirtschaft, aus wissenschaftlicher Sicht oder als Sprachlehrerin.
Die Integration von Migrantinnen und Migranten ins Berufsleben wird von wissenschaftlicher Seite vielfältig untersucht und in der Praxis von mindestens ebenso vielen verschiedenen Einrichtungen in die Tat umgesetzt. In diesem Prozess stoßen alle Beteiligten auf Hindernisse, mit denen es umzugehen gilt. Vor allem die Berufssprache beziehungsweise Fachsprache ist für die Menschen eine große Herausforderung. „Ziel dieser Fachtagung ist es, die verschiedenen Akteure auf diesem Gebiet zusammenzubringen, damit sie voneinander lernen können“, sagte Juniorprofessorin Dr. Sarah Lukas, Leiterin des Projekts „Fast-track Integration in European Regions – FIER“. „Im Sinne unseres Leitmotivs vom Bezug zwischen Theorie und Praxis wollen wir Beiträge aus der Forschung mit Ideen und Umsetzungen aus der Praxis verknüpfen“, umriss Roswitha Klepser von der AWW das Ziel der Tagung.
Positive Effekte des Sprachtrainings
Es brauche internationale Kooperationen, wenn es um Integration gehe, sagte Rolf Ackermann vom Baden-Württembergischen Kultusministerium. „Mit Blick auf die Arbeitswelt brauchen Migranten ein komplett anderes Setting zum Lernen.“ Dabei wolle man alles tun, um sie Schritt für Schritt vom sprachlichen A- zum B-Level zu bringen. In diesem Sinne sei Sprachtraining sowohl für das soziale als auch für das berufliche Leben der Schlüssel zum Erfolg. Dr. Alexia Lochmann von der Universität Bozen stellte Forschungsergebnisse von der Paris School of Economics vor. Untersucht worden seien die Effekte eines Sprachtrainings auf die Integration von Migrantinnen und Migranten in wirtschaftlicher Hinsicht. Dabei nahmen die Forscherinnen und Forscher insbesondere die Gruppen in den Blick, die aufgrund guter Sprachkenntnisse bei der Testung keine weitere Sprachförderung bekamen und diejenigen, die sie gerade noch bekommen haben. „Die zweite Gruppe hatte weitaus höhere Chancen auf dem Arbeitsmarkt“, fasste Dr. Lochmann die Ergebnisse zusammen.
Mehr Flexibilität und Passgenauigkeit gefordert
Zwei Tage lang wurden bei der Tagung der Zusammenhang zwischen Sprache und beruflicher Integration aus den verschiedensten Blickwinkeln mit Vorträgen und Workshops beleuchtet. Dabei reichte das Spektrum von der Integration syrischer Geflüchteter und Migranten in Hotellerie und Gastronomie über die Integration geflüchteter Lehrkräfte in die Lehrerausbildung bis zur Frage, ob Dialektmodule in einen Deutschkurs eingebaut werden dürfen. Den Abschluss bildete eine Podiumsdiskussion mit neun Teilnehmerinnen und Teilnehmern aus Wissenschaft und Praxis. Einig waren sich alle Diskutanten, dass es künftig noch mehr Flexibilität und Passgenauigkeit brauche, um Menschen zu integrieren.
Auszubildende überstehen erstes Lehrjahr oft nicht
„Klassische homogene Kurse gab es von Anfang an nicht und gibt es immer weniger“, sagte Ludger Baum, Leiter des Regionalen Bildungsbüros der Bildungsregion Ravensburg. Petra Wilhelm, Leiterin der Landesberufsschule für das Hotel und Gaststättengewerbe in Tettnang erläuterte, dass Ausbildungsbetriebe aufgrund des Fachkräftemangels eigentlich gar nicht auf das Sprachniveau achten würden, das die Auszubildenden eigentlich bräuchten. „Folge ist, dass sie das erste Lehrjahr oft nicht überstehen.“ Generell sollte man von den Betrieben aber nicht nur etwas verlangen, sondern ihnen auch entgegen gehen. „Das macht das FIER-Projekt“, lobte sie. Nuran Gündoğdu, Geschäftsführerin zweier Jet Tankstellen, unterstrich die Wichtigkeit der Sprachkenntnisse. Sie habe gute Erfahrungen mit dem Konzept, dass Auszubildende im dritten Lehrjahr diejenigen im ersten mit betreuen. Ganz ähnlich sieht es auch Gudrun Lohr-Kapfer, Geschäftsführerin a.d. der Franz Lohr GmbH. „Für Betriebe gilt, in Sachen Sprachtraining selbst aktiv zu werden.“ Claudia Bissinger, Beraterin für Flüchtlinge in Ausbildung an der IHK Weingarten, erläuterte, dass es nicht immer nur um Sprache gehe. „Auch Mathematik ist für viele an der Berufsschule eine Hürde“, so ihre Erfahrung. Insgesamt hätten die Auszubildenden in der Praxis in allen Berufen gute Erfolge. „Die Ausbildungen scheitern in der Berufsschule.“ Deshalb sollten Unternehmen im Vorfeld überprüfen, inwiefern jemand für eine Ausbildung geeignet sei. „Sobald Projekte individuell ansetzen, wird die Abbruchquote niedriger“, sagte Claudia Bissinger.
Unternehmen wünschen sich bedarfsorientierte Lösungen
Markus Winter, Geschäftsführer der id-s GmbH, sagte, dass nur fünf Prozent der Geflüchteten mit viel Wohlwollen ausbildungsfähig seien. Dabei würden neben der Sprache auch das Alter oder die Kultur eine Rolle spielen. „Die Wirtschaft braucht Fachkräfte, sie braucht aber auch den Staplerfahrer und angelernte Kräfte“, erklärte er seinen Standpunkt. Deshalb müsse man den Fokus auch auf Menschen richten, die nicht ausbildungsfähig oder -willig seien. „Fördern ja, aber auch fordern“, sagte Winter. Dabei wünscht er sich Lösungsansätze, die sich am Bedarf der Unternehmen orientieren. Andrea Bernert-Bürkle, EU-Projektberatung des Volkshochschulverbands Baden-Württemberg, sieht einen zusätzlichen Bedarf an Sprachkursen für Migrantinnen und Migranten, die bereits in Arbeit sind.
Wissenschaft ist mit komplexer Situation konfrontiert
Dr. Liana Konstantinidou, Professorin für Deutsch als Fremd- und Zweitsprache an der Zürcher Hochschule für Angewandte Wissenschaften und Institutsleitung des ILC Institute of Language Competence, sagte, dass die Forschung Sprache beziehungsweise Sprachkurse als das Wichtigste im Integrationsverfahren ausmache. „Dabei stellt sich die Frage, woran man Integration fest macht. Ist es der Arbeitsplatz oder geht es um Mitreden und Mitgestalten oder um ein persönliches Gefühl der Integration?“ Konfrontiert sei die Wissenschaft mit einer sehr komplexen Situation aufgrund der heterogenen Gruppen mit ihren unterschiedlichen kognitiven Fähigkeiten, sozialen Netzwerken und Zugängen zu Informationen. „Wir bräuchten noch mehr wissenschaftliche Begleitforschung, um zu sehen, ob etwas wirkt oder nicht“, stellte Dr. Konstantinidou fest.
„Jeder Mitarbeiter der bleibt, ist ein Erfolg“
Am Ende fragte Dr. Sarah Lukas nach den schönsten persönlichen Erfahrungen oder einer Erfolgsstory. Gudrun Lohr-Kapfer verwies auf die vergangenen 70 Jahre als Erfolgsstory. „Sie begannen mit den Flüchtlingsströmen innerhalb Deutschlands und gingen weiter über Gastarbeiter und Aussiedler bis zu den Flüchtlingen dieser Zeit.“ An Bedeutung zugenommen habe die Betreuung durch die Unternehmen. So sieht es auch Markus Winter. „Jeder Mitarbeiter, der bei uns bleibt, ist eine eigene Erfolgsstory.“