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Qualität in den Kitas muss erhalten bleiben

Dr. Anne Widmann und ihre Stellvertreterin Eva Meier-Munding von der Fachschule Sozialpädagogik am Institut für Soziale Berufe (IfSB) Ravensburg sehen Chancen und Risiken im Erprobungsparagrafen des Landes Baden-Württemberg. Bild: IFSB

Der baden-württembergische Landtag hat Ende November dem sogenannten Erprobungsparagrafen zugestimmt. Damit können die gesetzlichen Bedingungen für die Betreuung in Kindertageseinrichtungen gelockert werden: Träger erhalten die Möglichkeit, neue Modelle zu testen, um leichter Mitarbeitende zu gewinnen und so die Betreuungszeiten sicherzustellen.

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Bei allem Verständnis für die Eltern, Kommunen und Träger muss dabei weiterhin die frühkindliche Bildung auch im Sinne der Gesellschaft gesichert sein, sind sich von der Fachschule Sozialpädagogik am Institut für Soziale Berufe (IfSB) Ravensburg die Leiterin Dr. Anne Widmann und ihre Stellvertreterin Eva Meier-Munding einig.

Die Zahl der Kita-Beschäftigten ist laut Statistischem Landesamt 2023 landesweit mit 111 423 Personen erneut auf einem Höchststand: Ihre Zahl ist in den vergangenen Jahren stetig gestiegen. Die Fachschulen etwa haben in den vergangenen rund zehn Jahren ihre Kapazitäten verdoppelt, beim IfSB sogar verdreifacht, schildert Dr. Anne Widmann. Doch es reicht einfach nicht, um die Betreuungszeiten, auf die Eltern einen Rechtsanspruch haben, mit Fachkräften abzudecken.

„Wir stehen dafür, eine pädagogische Haltung zu entwickeln. Wir stehen für qualitätsvolle Beziehungsarbeit,“ schildert Dr. Anne Widmann. Für die hohe Fachlichkeit steht eine vierjährige Fachschulausbildung. Doch in den nächsten Jahren den Bedarf an benötigten Fachkräften auszubilden, werden auch die Fachschulen nicht decken können, selbst wenn es genügend Interessierte gibt. Es ist ein Dilemma, vor dem alle stehen. Der sogenannte Erprobungsparagraf soll den Trägern nun mehr Flexibilität ermöglichen. Zum einen könnten sie ihre Öffnungszeiten anpassen, zum anderen die Gruppen vergrößern. Alles natürlich im rechtssicheren Rahmen und unter Umständen befristet. Vor allem der Möglichkeit größerer Gruppen stehen die beiden Pädagoginnen aber skeptisch gegenüber. Sie sehen die Belastung bei der derzeitigen Gruppengröße von 25 Kindern für die Mitarbeitenden oft schon als sehr herausfordernd an. Außerdem zeigen aktuelle Ergebnisse aus der Pisa-Studie, dass individuelle, frühkindliche Bildung maßgeblich für den späteren Lernerfolg von Kindern ist. Jedes weitere Kind in der Gruppe erschwert qualitätsvolle Bildungsarbeit“, heißt es in einer Pressemitteilung des IFSB Ravensburg.

Fachlichkeit muss gesichert sein
Ein weiterer Ansatz des Paragrafen ist, dass etwa zwei Zusatzkräfte eine Fachkraft ersetzen können. Doch woher sollen diese Kräfte kommen und wie kommen diese wiederum zu einem gewissen Maß an Fachlichkeit? An dem Punkt sehen die beiden auch Chancen. Menschen, die schon mehrere Jahre in einem fachfremden Beruf arbeiten und sich in Richtung sozialer Tätigkeit verändern möchten, könnten sich angesprochen fühlen und erhalten eine gute Möglichkeit zum Einstieg.

Dr. Anne Widmann und Eva Meier-Munding setzen aber voraus, dass pädagogische Konzepte, die Kinderrechte und der Kinderschutz sichergestellt werden. Grundsätzlich müsse auch geklärt werden, wofür die Ergänzungskräfte überhaupt eingesetzt werden sollen und wie die Eingangsvoraussetzungen gestaltet werden. Bei der Arbeit in der frühkindlichen Erziehungsarbeit braucht es fachliche Begleitung von einer Mentorin. Das IfSB sieht sich hier auch in der Pflicht, die Fachkräfte vor Ort zu unterstützen und die Fachlichkeit in den Kitas zu erhalten. Deshalb arbeiten sie an einem Fortbildungskonzept für ungelernte Kräfte.

Bei der Erprobung neuer Modelle, so betont Eva Meier-Munding, müssen Erzieherinnen und Erzieher zwingend beteiligt sein. Darüber hinaus wäre es wünschenswert, wenn die Erfahrungen mit dem Erprobungsparagrafen wissenschaftlich evaluiert werden.

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