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Wirtschaft und Business

Von der Vision zur Realität

Tauschten sich beim Langenargener Wirtschaftsgespräch über die Energieinfrastruktur der Zukunft aus (von links): Dr. Sönke Voss, Hauptgeschäftsführer der IHK Bodensee-Oberschwaben; Martin Buck, Präsident der IHK Bodensee-Oberschwaben; Thomas Kusterer, stellvertretender Vorstandsvorsitzender und Finanzvorstand der EnBW, Katja Maier, Präsidentin der Handwerkskammer Ulm, und Dr. Tobias Mehlich, Hauptgeschäftsführer der Handwerkskammer Ulm.  Bild: IHK/PhotoArt

Das Thema Energieinfrastruktur war Anfang April Themenschwerpunkt des mittlerweile 43. Langenargener Wirtschaftsgesprächs, das aufgrund anhaltender Sanierungsarbeiten am Schloss Montfort in diesem Jahr an der Zeppelin Universität in Friedrichshafen stattfand. Gastreferent war Thomas Kusterer, stellvertretender Vorstandsvorsitzender der EnBW in Karlsruhe.  

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Energie und der damit einhergehende Transformationsprozess spielen eine wichtige Rolle – für die Wirtschaft und auch für die Umwelt, sagte Katja Maier, Präsidentin der Handwerkskammer Ulm, in ihrer Begrüßung der rund 130 Gäste. Was die Umsetzung und Energiezukunft angehe, herrschten allerdings vielfach Verunsicherung und Skepsis. Der Vortrag des stellvertretenden EnBW-Vorstandsvorsitzenden Thomas Kusterer mit der Überschrift „Von der Vision zur Realität: Der Weg zur Energieinfrastruktur der Zukunft“ sei daher die perfekte Grundlage für Fragen und Diskussionen zu diesem Thema. Unternehmen seien, um weiterhin erfolgreich am Markt bestehen zu können, auf eine funktionierende Infrastruktur, bezahlbare Energiepreise und eine wirtschaftsfreundliche Politik angewiesen, so Katja Maier.

Regelmäßige Treffen und Gespräche mit Akteuren vor Ort seien ihm ein besonderes Anliegen, betonte Thomas Kusterer. Die EnBW sei in Baden-Württemberg fest verwurzelt und habe hier die meisten ihrer rund 5,5 Millionen Kunden. In den vergangenen Jahren habe sich das Unternehmen vom konventionellen Energieversorger zum nachhaltigen Infrastrukturpartner entwickelt. Rund 90 Prozent der EnBW-Investitionen fließen laut Kusterer nach Deutschland, mehr als die Hälfte – rund 60 Prozent – nach Baden-Württemberg.

„Die Energieinfrastruktur wird sich bis 2045 weiter verändern“, so Kusterer. Der Anteil der erneuerbaren Energien wachse kontinuierlich, der Flächenbedarf steige. Die erneuerbaren Energien allein könnten aber keine sichere Versorgung garantieren. In den kommenden 20 Jahren werde der Strombedarf weiter über alle Sektoren auf etwa 1.100 Terrawattstunden steigen. Dies bedeute mehr als eine Verdoppelung des Bedarfs von knapp 500 Terrawattstunden im Jahr 2022. Ein kontinuierlicher Ausbau der Übertragungsnetze sei daher ein wichtiger und unerlässlicher Bestandteil für deutschlandweite Versorgungssicherheit. Der Weg zum Klimaneutralitätsziel erfordere zudem einen konsequenten Dekarbonisierungspfad. „Deutschland steht ein historischer Umbau des Energiesystems bevor“, so der Energieexperte. Die ganzheitliche Transformation gehe aber mit enormen Investitionen einher, gab Kusterer zu bedenken und nannte als Größenordnung für die Jahre 2023 bis 2035 rund 1.213 Milliarden Euro. Die EnBW plane mit Bruttoinvestitionen von über 40 Milliarden Euro für den Zeitraum 2024 bis 2030. „Wir brauchen internationales Kapital, Stabilität und gute Rahmenbedingungen“, so Kusterer. Zur Deckung des übergeordneten langfristigen Finanzierungsbedarfs sei eine Weiterentwicklung der Finanzierungsstrategie vonnöten – mit neuen Instrumenten, neuen Märkten und einer breiteren Investorenbasis.

Die Transformation des Energiesystems in Deutschland müsse ganzheitlich unter dem energiepolitischen Dreiklang von Versorgungssicherheit, Bezahlbarkeit von Energie und Klimaschutz erfolgen. Und es müsse mehr Tempo in den Umbau kommen. Mit Blick auf eine neue Bundesregierung forderte Kusterer stabile und verlässliche Rahmenbedingungen, verbunden mit Planungssicherheit, als Basis für unternehmerisches Handeln und Investitionssicherheit. „Langfristig belastbare Rahmenbedingungen sind das A und O für den Weg in die Energieinfrastruktur der Zukunft.“

In der anschließenden Fragerunde wurde deutlich, welch hohen Stellenwert das Thema Energie hat und welche Erwartungen, Hoffnungen, Verunsicherungen und Ängste damit verbunden sind. Fragen zu Wärmepumpen, Batteriespeicherung, E-Mobilität, Finanzierbarkeit, Versorgungssicherheit und vor allem Bezahlbarkeit sowie das Thema Wasserstoff bildeten Schwerpunkte. „Die neue Infrastruktur für Wasserstoff soll bis 2035 stehen, das wäre sehr schnell“, sagte Kusterer. Sonnen- und Windenergie würden allerdings für die Produktion von grünem Wasserstoff in Deutschland nicht ausreichen, und nur heimische Produktion mit Elektrolyseuren sei letztlich zu teuer. „Wasserstoffimporte sind um ein Vielfaches billiger“, so Kusterer.

Das Langenargener Wirtschaftsgespräch habe gezeigt, dass das Thema Energie die Wirtschaft sehr bewege, sagte Martin Buck, Präsident der IHK Bodensee-Oberschwaben, in seinem Schlusswort. Auch die prosperierende und wirtschaftsstarke Region Bodensee-Oberschwaben stehe vor enormen Herausforderungen. Die Zahl der Industrieunternehmen, die im Zuge struktureller Probleme über eine Abwanderung aus Deutschland nachdenken, steige. Die IHK setze sich unter anderem für den Erhalt einer einheitlichen Strompreiszone ein, so Buck. Vor allem aber brauche Deutschland verlässliche Rahmenbedingungen, Beschleunigung der Genehmigungsverfahren und eine wirtschaftsfreundliche Politik. Für die Region Bodensee Oberschwaben sei eine frühzeitige und planungssichere Anbindung an die Wasserstoffinfrastruktur entscheidend, um energieintensive Betriebe in der Region zu halten.