rv-news.de
Landkreis RV

„Trends erkennen und als Chance sehen“

Archivbild: F.Enderle

76 Teilnehmer/-innen aus Südwürttemberg nutzten Anfang Februar die Gelegenheit, um im Rahmen des Fachtags für Direktvermarkter Ideen und Impulse für den eigenen landwirtschaftlichen Betrieb zu gewinnen. Veranstalter des Fachtags waren die Landwirtschaftsämter der Landkreise Sigmaringen, Bodenseekreis, Ravensburg und Biberach.

- Anzeige -
Jetzt bewerben!


Den Anfangsimpuls setzte Claudia Albrecht, Marketingberaterin aus Neustadt an der Weinstraße. Ihre Botschaft: Die eigenen Produkte in Wert setzen heißt, sie entsprechend zu präsentieren. Denn der Einkauf ist heute ein Erlebnis und der Kunde möchte sich mit dem Erzeuger des Produktes identifizieren können. Erforderlich ist eine effektive Werbung, so Albrecht, die sich an Verbraucher richtet, die noch nicht zur bestehenden Kundengruppe gehört. Eine Werbemaßnahme könne der „Kunde wirbt Kunde-Gutschein“ sein. Mit eindrucksvoller Bildgestaltung warb Albrecht dafür, die eigenen Produkte mehr in Laufwege und Sichtfelder eines Kunden zu rücken. Carolin Nuscheler, Inhaberin der Resi-Marketing-Agentur aus dem bayerischen Altenstadt, ging verstärkt auf die systematische und durchgängige Prüfung der eigenen Wertschöpfungskette ein (von der Fläche/Tier bis zum Vertrieb/Marketing). Über Fragestellungen wie z.B. „An welcher Schraube in meiner Wertschöpfungskette will ich drehen“, „Wo schlummert schon lange ein Wunsch“, „Kann ich an dieser Stelle noch einen weiteren Schritt als die Konkurrenz gehen?“ lassen sich ebenfalls Ideen entwickeln. Unerlässlich sei hinter dem Produkt zu stehen, welches man verkaufen möchte. Jemand, der rein aus Werbezwecken auf Bio-Produktion setze, werde seine Zielgruppe nie verstehen und nicht richtig ansprechen können.

Am Nachmittag ging es in drei verschiedene Wissensmärkte mit Praktikern, die Ihre Produktideen und Vermarktungswege vorstellten. Christoph Hönig, Vorsitzender der Werbegemeinschaft-08-Eier aus Baden-Württemberg und selbst Landwirt auf seinem Geflügelhof in Mühlingen, zeigte den Vermarktungsweg von Eiern zum Lebensmitteleinzelhandel der 50 Mitglieder der Gemeinschaft auf. Voraussetzung für den gemeinschaftlichen Erfolg seien Weitsichtigkeit, Durchhaltevermögen der Mitglieder und die Fähigkeit, Einzelinteressen zurück zu stellen.

„Wer ist mein Kunde? Und welche Ziele hat er?“ diese Fragen muss sich ein Direktvermarkter stellen, so Hönig, um erfolgreich zu sein. Es werden zunehmend regionale Produkte gekauft, weil Verbraucher ganz gezielt regionale landwirtschaftliche Betriebe unterstützen oder Transportwege reduzieren möchten. In unserer Gesellschaft werde zukünftig das Tierwohl an Bedeutung gewinnen, davon ist Hönig überzeugt. Diese Entwicklung aufzugreifen, darin sehe er eine große Chance für die Höfe in der Region. Die Teilnehmer des Fachtags waren von Hönigs Fähigkeit beeindruckt, Trends zu erkennen, Produkte zu entwickeln und diese am Markt erfolgreich zu platzieren.

Beispielhaft dafür ist seine „MeiBox“ – eine Mehrweg-Eierbox, sowie der Gläserne Hühnerstall oder das „Huhn und Hahn“ Projekt. Die Landwirtin und Unternehmerin des Jahres 2019 (Ceres Award) Linda Kelly aus Herdwangen berichtete über ihre Leidenschaft, die Süßlupine in Bioland-Qualität anzubauen und unter der Marke „Lupinello“ zu verkaufen. Die 36-Jährige erzählte sehr mitreißend, wie sie vor 5 Jahren mit viel Mut diese individuelle Geschäftsidee auf dem elterlichen Ackerbaubetrieb mit 170 ha Ackerfläche umsetzte. Unter dem Motto „Klein und fein, aber alles aus erster Hand“ baut Kelly die Süßlupinen selber an, verarbeitet und vermarktet selbst. Das Produktsortiment geht von Lupinen-Kaffee überflocken, -kerne, -mehl bis hin zu Lupinen-Gesichtsöl.

Die pflanzliche Eiweißalternative wird über den Einzelhandel und den eigenen Online-Shop vertrieben. Michael Müller vom Allgäu Hof in Bad Wurzach schaute auf mehrere Jahre Direktvermarktung seiner konventionellen Milch zurück. Der 200-Kuh-Betrieb vermarktet ca. 20% der erzeugten Milch direkt in Form von Frischmilch an den Lebensmitteleinzelhandel (Automaten und Regal), auf Wochenmärkten, in die Gastronomie und in der hofeigenen Milchhütte Die Milch wird sowohl in Flaschen abgefüllt als auch in Bag-in-Box. Eine spezielle A2-Allgäu-Urmilch ist in das Sortiment hinzugekommen. Müller betonte, dass Direktvermarktung von Milch mit hohen technischen Investitionen verbunden sei. Zwar hätte ihm die Vermarktung in der Flasche den Zugang zum Lebensmitteleinzelhandel verschafft, die Lagerung der Flaschen sei aber mit Platzproblemen verbunden. Im Rückblick auf die letzten 10 Jahre zog Müller das Fazit, dass ein gutes Planen vor dem Einstieg notwendig sei und dass „das schnelle Geld“ nicht im Vordergrund stehen dürfe. Bei letzterem nahm er Bezug zum Milchpreis beim Einstieg in die Direktvermarktung, der sich nicht daran orientieren sollte, unterhalb der Konkurrenz zu liegen. Auch sei ein finanzielles Polster beim Einstieg notwendig gewesen.“

Print Friendly, PDF & Email