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Michael Kupfer-Radecky zu Gast beim „Heimspiel“

Beliebtes Format auch in diesem Jahr, als Michael Kupfer-Radecky zu Gast bei Ulf Nürnberger war. Bild: Stadt Ravensburg

Zum achten Mal fand am Rutenfreitag, den 21. Juli 2023 das Veranstaltungsformat „Heimspiel“ mit Gästen aus der Kreativwirtschaft statt. Auch in diesem Jahr begrüßte der Erste Bürgermeister Simon Blümcke im Namen der Initiative Ravensburg (Stadt und Wifo) das Publikum sowie Moderator Ulf Nürnberger und Gastredner Michael Kupfer-Radecky im Innenhof des Museum Humpis Quartier (MHQ).

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„Es bereitet mir immer wieder große Freude, Ravensburgerinnen und Ravensburger mit einer solch‘ beeindruckenden Karriere bei dieser wunderbaren Auftaktveranstaltung begrüßen zu dürfen“, so Blümcke. Er erinnere sich noch gut an Auftritte von Michael Kupfer-Radecky in der Heimat. Stets bodenständig, ohne jegliche Starallüren, sei der Opernsänger beispielsweise in der Mensa des Spohn-Gymnasiums aufgetreten.

Was dann jedoch im Gespräch mit Ulf Nürnberger schon in den ersten Minuten klar wird, ist, dass zu so ausgeprägter Bescheidenheit wenig Anlass besteht. „Noch vor wenigen Jahren hatte ich eine Liste mit fünf Häusern, in denen ich gerne einmal singen möchte“, so der Bariton. „Hinter vier davon konnte ich mittlerweile ein Häkchen setzen“, führt er seinen Gedankengang aus. Sogar die „Met“ (Metropolitan Opera New York) hat mittlerweile Interesse am gebürtigen Ravensburger. Mit seiner nahbaren, sympathischen Art hatte der Gast das Publikum schnell für sich gewonnen. Die Frage, was einen Bariton eigentlich ausmache, kontert Kupfer-Radecky mit einem amüsanten Zitat. „Oben kein Ton, unten kein Ton, Bariton“, zitiert er seine Sängerkollegen. „Ganz sachlich betrachtet ist es die mittlere männliche Stimme“, ergänzt der Künstler. „„Ich singe halt so Verbrecher, Schänder und langsam kommen die väterlichen Rollen“, berichtet er und lacht.

Seiner Karriere ging wie bei den meisten Opernsängern ein langer Weg der Ausbildung voran. „Da habe ich große Augen gemacht, als 2006 beim Länderspiel Deutschland gegen Japan plötzlich Michael im Bild war und die Nationalhymne anstimmte“, erinnert sich Ulf Nürnberger. Das Engagement sei über eine Operettenproduktion in Liechtenstein zustande gekommen, bei der einer der Veranstalter nebenbei auch als Consultant des DFB für den musikalischen Rahmen tätig gewesen sei, erinnert sich Kupfer-Radecky. „Fast täglich kam eine Mail, dass ich mir auch unbedingt den Text anschauen soll, nachdem Sarah Connor einige Jahre zuvor gepatzt hatte“, ergänzt er amüsiert. Von da an nahm die Karriere für den Sänger und Dramaturgen ständig weiter Fahrt auf.

Auf die Frage, wann er selbst zu realisieren begann, dass er besser ist als andere, lässt Michael Kupfer-Radecky das Publikum tief in seine Persönlichkeit blicken. „Du bist nie besser als andere, wichtig ist die ständige Selbstreflexion und sich zu optimieren“, so der Bariton. „Das, was man fühlt, ist nicht, was andere hören. Auch die eigene Erwartung und Klangvorstellung sind nicht, was das Publikum wahrnimmt“, führt er weiter aus. „Wer kennt nicht den Moment, wenn man eine eigene Voice-Memo anhört und erschrickt. So geht es auch professionellen Musikern“, erklärt er schmunzelnd. Wichtig sei in diesem Business immer, dass man für die Zuschauer da sei und diese mit all‘ seinem Können unterhält. Daran ändere die Location – weder das Highend-Theater noch die Mensa einer Schule – nichts. Außerdem müsse man stets fit bleiben, da sich das Bild des Baritons in den letzten Jahren stark gewandelt habe. „Man ist schon lange nicht mehr der Starre, der die Töne von sich gibt. Alles ist physischer und aktiver geworden, da muss man fit bleiben“, weiß Michael Kupfer-Radecky.

Vielleicht ist es genau diese Einstellung gepaart mit Spontanität, die ihm 2022 seinen ersten großen Auftritt bei den Bayreuther Festspielen einbringt. Für den Sänger, der die Rolle des „Wotan“ in DIE WALKÜRE innehatte, übernahm er – neben seinem eigenen Engagement als „Gunther“ – nach einem schweren Bühnenunfall im 3. Akt dessen Part. „Ich habe nie daran geglaubt, dass das passieren würde. Gerade als ich ein Entspannungsbad einlassen wollte, klingelte mein Telefon“, erinnert sich der Sänger. Mit rund einstündiger Vorbereitungszeit ging es schließlich bereits auf die Bühne. Die Vorstellung lief weitestgehend rund. „Am Ende trampeln und schreien 2000 Leute das Haus für dich zusammen. Das ist genau das, was man sich wünscht“, berichtet er gerührt. Damit ging ein Traum in Erfüllung, den er insgeheim schon mit 20 Jahren gehegt hatte. „Wenn ich da mal singe, habe ich es geschafft und kann aufhören“, sei damals sein Gedankengang gewesen. „Aber ich mache es immer noch“, fügt er lachend an.

Dabei ist es jedoch nicht geblieben. 2023 erhält er, gerade als er für ein Engagement in Kanada ist, ein Angebot des Filmregisseurs Atom Egoyan. Für eine ganz besondere Filmproduktion, bei der die Oper „Salome“ von Richard Strauss eine große Rolle spielen sollte, bekam er die Chance u. a. gemeinsam mit Amanda Seyfried vor der Kamera zu stehen. „Ich habe dann erstmal seinen Namen (Atom Egoyan) gegoogelt, da ist mir bei seinen zwei Oscar-Nominierungen schon etwas schummrig geworden“, gesteht Kupfer-Radecky. Doch als im Februar die Dreharbeiten begannen, hatte der Opernsänger wenig Mühe, sich am Set und vor der Kamera zurechtzufinden. Per eingespielter Videobotschaft bekamen die Zuhörerinnen und Zuhörer im MHQ einen Eindruck, welche Wertschätzung Michael Kupfer-Radecky von seinen erfahrenen Schauspielkolleginen und -kollegen Douglas Smith und Rebecca Liddiard sowie dem Regisseur des Films selbst entgegengebracht wird. Er selbst betrachtet die neue Erfahrung recht sachlich. „Es ist eine komplett andere Welt als vor der Kamera. Du musst keine Gesten machen, die bis in die 25. Reihe reichen sollen. Andererseits sieht die Kamera alles, woran du nur den Bruchteil einer Sekunde denkst“, erklärt er. „Nach wenigen Kameraeinstellungen und Takes ist es vorbei und du kannst das Zeug vergessen – das ist auf einer Bühne etwas nachhaltiger und von längerer Dauer“, ergänzt er. Leider müsse die Premiere beim Toronto Film Festival am 10. September 2023 aufgrund von Terminüberschneidungen ohne ihn stattfinden. In diesem Zuge kann Ulf Nürnberger dem Künstler dann noch ein großes Versprechen abringen. Sofern der Film „Seven Veils“ in Europa Premiere feiert, wird er zu einer eigenen kleinen Vorstellung nach Ravensburg kommen.

Gegen Ende der Veranstaltung lenkt Ulf Nürnberger das Gespräch, mithilfe eines Zitats eines ehemaligen Schützentrommlers, auf die kommenden Festtage und die Heimat des Künstlers. „Vieles was ich bin, bin ich, weil ich von hier komme. Diese Geborgenheit der Stadt, die im Tal liegt, hat mir viel gegeben“, so der gebürtige Ravensburger. Seine Beziehung zum Rutenfest habe sich dagegen etwas gewandelt. Vielmehr sei er im Kopf gerne dabei – aber eben nicht physisch. „Für viele eingefleischte Ravensburger mag das nicht nachvollziehbar sein. Ich habe meine Hüte zu Hause, meine Textbücher vom Rutentheater und die Kartons mit den ganzen Erinnerungen. Ich habe das früher genossen und es bleibt in mir drin. Es wird aber nicht stärker dadurch, dass ich nach Ravensburg komme“, führt er aus. Die Sommerzeit sei bei ihm vor allem Festivalzeit – mit all‘ den Aufführungen und Proben am Rutenfestwochenende. Aber die Emotionalität dieses Festes bleibe für immer in ihm. Gerne blickt er zurück auf seine Kindheit und Jugend. Die Straßen und Gassen seien ihm nach wie vor vertraut und mit vielen, schönen Erinnerungen verbunden.

Vita
Michael Kupfer-Radecky, geb. Kupfer, wurde 1972 in Ravensburg geboren. Nach seiner mittleren Reife an der Realschule Ravensburg schloss er eine Ausbildung als Speditionskaufmann bei der Firma Noerpel ab. Im Anschluss begann er 1992 ein Gesangsstudium am Mozarteum Salzburg, welches er nach zwei Jahren abbrach. 1995 wurde er Mitglied im renommierten Opernstudio der Bayrischen Staatsoper. Festengagements führten ihn ab 1997 an das Theater Koblenz, das Stadttheater Bremerhaven und das Gemeinschaftstheater Krefeld/Mönchengladbach. Seit 2019 ist er im Ensemble der Staatsoper Hannover. In den vergangenen 30 Jahren war er in über 60 Hauptrollen und zahlreichen mittleren und kleinen Partien auf der Bühne zu sehen. Dabei trat er u. a. an der Bayerischen Staatsoper, der Opera National Paris, dem Royal Opera House Covent Garden in London, dem Teatro alla Scala in Mailand, der Deutschen Oper Berlin, der Staatsoper Hamburg, der Opera Australia Sydney, dem New National Theatre Tokyo, dem Royal Operahouse Stockholm, dem Teatro Real Madrid, dem Theatro Municipal Sao Paulo, der Canadian Opera Company und über 20 weiteren Theatern im deutschsprachigen Raum auf. 18 Jahre war er jährlich bei den Tiroler Festspiele Erl.  Seit Sommer 2022 ist er Gast bei den Bayreuther Festspielen, wo er neben seinem regulären Debüt als Gunther in GÖTTERDÄMMERUNG die Premiere von DIE WALKÜRE rettete, als er für einen verunfallten Kollegen spontan den 3. Akt als „Wotan“ übernahm.

Michael Kupfer-Radecky spielte jahrelang im Rutentheater und war 1988 Schützenoberst bei den Schützentrommlern der Realschulen. Erst Schritte als Opernsänger konnte er bei Opernproduktion der Musikschulen in Ravensburg, Wangen und Friedrichshafen sammeln.

 

 

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