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Regionalplan Bodensee-Oberschwaben 2023: Beitrittsbeschluss gefasst

Grafik: Regionalverband Bodensee-Oberschwaben

Die Verbandsversammlung des Regionalverbands Bodensee-Oberschwaben hat heute in ihrer
außerordentlichen Sitzung in Kressbronn mehrheitlich den Beitrittsbeschluss zu dem vom Ministerium für
Landesentwicklung und Wohnen (MLW) am 6. September 2023 genehmigten Regionalplan gefasst.
Dieser war nötig geworden, weil das MLW vier Gewerbestandorte und einen Standort für Rohstoffabbau
von der Verbindlichkeit ausgenommen hat.

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25. Oktober 2023, Region Bodensee-Oberschwaben/Kressbronn – Mit dem Tag der öffentlichen
Bekanntmachung der Genehmigung im Staatsanzeiger für Baden-Württemberg wird somit der „Regionalplan
Bodensee-Oberschwaben 2023“ rechtsverbindlich. Dies erfolgt noch im Laufe des Novembers. „Damit findet
das über acht Jahre währende Verfahren zur Gesamtfortschreibung des Regionalplans seinen Abschluss.  Als das neue Kursbuch der Region wird der Regionalplan die räumliche Entwicklung für mindestens 15 Jahre
prägen und den Kommunen Rechtssicherheit geben“, zeigt sich Verbandsvorsitzender Thomas Kugler erfreut.

Regionale Freiraumstruktur
Im neuen Regionalplan wurden sämtliche textlichen und zeichnerischen Festlegungen aktualisiert und zur
Sicherung und Entwicklung der Freiraumstruktur Regionale Grünzüge, Grünzäsuren, Vorranggebiete für
Naturschutz und Landschaftspflege, Vorranggebiete für besondere Waldfunktionen, Vorranggebiete zur
Sicherung von Wasservorkommen festgelegt. Regionale Grünzüge und Grünzäsuren sind multifunktionale
Instrumente des regionalplanerischen Freiraumschutzes, die mehrere Schutzziele haben: Sie sichern u.a.
wertvolle landwirtschaftliche Flächen, Kaltluftbahnen zur nächtlichen Abkühlung von Siedlungen
(Klimawandelanpassung), die Erholungsfunktion der Landschaft und den vorbeugenden Hochwasserschutz.
Grünzäsuren sollen v.a. das Zusammenwachsen von Siedlungsteilen verhindern. Vorranggebiete für
Naturschutz und Landschaftspflege dienen der Sicherung des regionalen Biotopverbundssystems und tragen dem Landesziel eines Offenlandbiotopverbunds von 15 % bis zum Jahr 2030 Rechnung. Vorranggebiete für besondere Waldfunktion sichern den Biotopverbund im Wald und die Erholungsfunktion des Waldes. Regionale Grünzüge, Grünzäsuren sowie Vorranggebiete für Naturschutz und  Landschaftspflege sind (von Ausnahmen abgesehen) von Bebauung freizuhalten.

Siedlung
Im Kapitel Siedlung werden neue Festlegungen wirksam. Die Neuerungen umfassen insbesondere:

  •  3 neue Unterzentren (Aulendorf, Meckenbeuren, Salem)
  • 4 neue Siedlungsbereiche (Amtzell, Blitzenreute, Horgenzell, Mochenwangen)
  • 16 Vorranggebiete für den Wohnungsbau
  • 24 Vorranggebiete für Industrie und Gewerbe
  • 34 Vorranggebiete für zentrenrelevante Einzelhandelsgroßprojekte und

22 Vorbehaltsgebiete für nichtzentrenrelevante Einzelhandelsgroßprojekte

Wohnflächen
Im Bereich Wohnen wird eine Reihe von Regelungen zur sparsamen Flächeninanspruchnahme wirksam. Vor
allem durch die Einführung der „Mindest-Bruttowohndichte“ kommt diesbezüglich ein effizientes Instrument
zum Tragen. Darüber hinaus werden durch die Festlegung der Vorranggebiete für den Wohnungsbau
regionsweit die geeignetsten Flächen für eine angemessen verdichtete Wohnraumentwicklung gesichert.
Künftig werden somit weniger zusätzliche kommunale Wohnbauflächen erforderlich sein und neue
Wohnflächen verstärkt in die ausgewiesenen Siedlungsbereiche gelenkt. „Der Regionalplan trägt somit seinen Teil zum angespannten Wohnungsmarkt in der Region bei. Wir hoffen, dass wir mit den ausgewiesenen Potenzialflächen hinkommen werden, denn von den seitens des Regionalverbands prognostizierten 29.000 zusätzlichen Einwohnern bis 2035 sind laut aktuellsten Zahlen des Statistischen Landesamts bereits fast 20.000 da“, zeigt sich Verbandsdirektor Wolfgang Heine besorgt.

Gewerbeflächen
Im Bereich Gewerbe wird durch die Festlegung der Vorranggebiete für Industrie und Gewerbe ebenfalls der
Bedarf an zusätzlichen kommunalen Gewerbeflächen zurückgehen. In diesem Zusammenhang erläutert Heine: „Die planungsrechtliche Sicherung der am besten geeigneten regionalbedeutsamen Flächen trägt auch dazu bei, dass ökologisch oftmals hochwertigere Gebiete an anderer Stelle erhalten bleiben und eine effizientere Flächennutzung ermöglicht wird“. Von der Genehmigung ausgeklammert wurden die vier Schwerpunkte für Industrie und Gewerbe Friedrichshafen (Hirschlatt), Kißlegg (Interkommunales Gewerbegebiet Waltershofen – IKOWA), Leutkirch i.A. (Riedlings) und Pfullendorf (Wattenreute). Für diese Standorte war ein sogenanntes Zielabweichungsverfahren erforderlich, weil die Gebiete nicht direkt an den Siedlungsbestand angrenzen.

Das Regierungspräsidiums Tübingen (RPT) begründet seine Ablehnung damit, dass der regionale Bedarf an Gewerbeflächen und die Steuerung der Gewerbeentwicklung auch ohne die vier betroffenen Standorte gewährleistet werden könne, die betroffenen Teilräume in der Umgebung auf  alternative Flächen zurückgreifen könnten und somit kein Härtefall vorliege. Das RPT und darauf  bezugnehmend das MLW kommen somit der Einschätzung der Verbandsversammlung gemäß  Satzungsbeschluss zum Regionalplan in diesem Punkt nicht nach. In der Begründung zur Ablehnung des Zielabweichungsverfahrens wird jedoch seitens des RPT darauf verwiesen, dass die betroffenen Flächen mit entsprechender Begründung (Bedarfsnachweis, keine vergleichbar geeigneten angebundenen Alternativflächen) jeweils separat auf kommunaler Ebene entwickelt werden könnten. „Die Verbandsversammlung hat die Verbandsverwaltung  daher im Zuge des Beitrittsbeschlusses beauftragt, die Gemeinden im Bedarfsfall bei der Planung und  Umsetzung der vier Gewerbestandorte – nunmehr auf kommunaler Ebene im Rahmen der Bauleitplanung –  zu beraten und zu unterstützen“, zeigt Kugler das weitere Vorgehen auf. Die Raumnutzungskarte des neuen  Regionalplans weist durch die Nicht-Genehmigung der Vorranggebiete „weiße“ (unbeplante) Flächen aus,  also Gebiete ohne regionalplanerische Restriktionen hinsichtlich einer gewerblichen Entwicklung.

Oberflächennahe Rohstoffe
Zur Sicherstellung einer bedarfsgerechten, verbrauchernahen Versorgung mit oberflächennahen Rohstoffen
werden Vorranggebiete zum Abbau sowie Vorrang – und Vorbehaltsgebiete zur Sicherung oberflächennaher
Rohstoffe festgelegt, darunter auch die viel diskutierte Fläche in Grund bei Vogt im Altdorfer Wald. „Der
Neuaufschluss einer Kiesgrube in Grund entspräche dem Rohstoffkonzept des Landes, das ausdrücklich ein
dezentrales System an Abbaustandorten zur Vermeidung von Verkehr und Verteilung der Lasten vorsieht“,
erläutert Heine.

Die Festlegungen des Regionalplans gelten für 2 x 20 Jahre und beanspruchen aufsummiert einen
Flächenanteil von ca. 0,32 % der Region. Die Flächen werden je nach Bedarf und Verbrauch und vorliegender
Genehmigung seitens zuständigen Landratsamts sukzessive in Anspruch genommen und abschnittsweise
rekultiviert. Durch die Festlegungen können Rohstoffe in der Region zukünftig so abgebaut werden, dass eine koordinierte, flächendeckende Versorgung mit heimischen Rohstoffen bei einer möglichst geringen
Verkehrsbelastung und einer Konzentration auf möglichst konfliktarme und umweltverträgliche Standorte
gewährleistet wird.

Der neue Regionalplan sichert auch das Vorranggebiet Reicher Moos für den Abbau oberflächennaher
organischer Rohstoffe (Torf). Mit seinen 5 ha ist der Standort die einzige Fläche in der Region, in der  Torfabbau ausschließlich für den Kurbetrieb und die oberschwäbischen Moorbäder noch zulässig ist.

Von der Verbindlichkeit des Regionalplans ausgenommenen wurde das Vorranggebiet „Kalksteinabbau
Mittelberg-Beuron“. Hier sah das MLW im Fehlen der FFH-Verträglichkeitsprüfung einen Rechtsfehler.
Angesichts der erkannten erheblichen Beeinträchtigungen hätte das sogenannte Natura 2000 –
Ausnahmeverfahren auf Ebene des Regionalplans zu Ende geführt werden müssen. Der Regionalverband ging bis jetzt davon aus, dass dieses Ausnameverfahren im anschließenden Genehmigungsverfahren beim
zuständigen Landratsamt erfolgen könne und hatte dazu auch keine eindeutigen Hinweise in der Anhörung  zum Regionalplanentwurf erhalten. Nachdem in den vergangenen sechs Jahren kein Genehmigungsantrag auf Abbau der hochreinen Kalke gestellt wurde und seitens des Grundeigentümers keine klare Aussage  vorliegt, ob er an dem Standort Mittelberg festhält, sieht der Regionalverband daher bis auf Weiteres davon  ab, die erforderliche Prüfung auf seiner Planungsebene durchzuführen.

Klagemöglichkeit
Gegen den Regionalplan kann innerhalb eines Jahres nach Inkrafttreten eine sogenannte Normenkontrollklage eingereicht werden. „Die Normenkontrolle entfaltet aber keine aufschiebende Wirkung, d.h. die Festlegungen des Regionalplans sind trotz eines laufenden Normenkontrollverfahrens rechtskräftig“,
erklärt Kugler abschließend.

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