WEINGARTEN
Die dezentrale Erzeugung von Strom und erneuerbaren Energien hat in den vergangenen 20 Jahren seit Einführung des Erneuerbare-Energien-Gesetzes stetig zugenommen. Im Jahr 2019 lag der Anteil bei rund 45 Prozent. „Seit 2000 haben sich auch die gesetzlichen Rahmenbedingungen hinsichtlich Direktvermarktung und Eigennutzung des Stroms geändert“, sagte Stefan Kesenheimer, Referent für Umwelt und Energie der Industrie- und Handelskammer Bodensee-Oberschwaben (IHK), bei der mittlerweile fünften Informationsveranstaltung von IHK und dem Photovoltaiknetzwerk Bodensee-Oberschwaben. Über 110 Anlagenbetreiber und potenzielle Investoren waren nach Weingarten gekommen, um sich von Energieexperten über die Vorteile einer Direktvermarkung, über Energiespeicherung, Sektorenkopplung und andere Dinge informieren zu lassen.
Demnächst, so Kesenheimer, würden die ersten Photovoltaikanlagen aus der auf 20 Jahre befristeten Förderung herausfallen. Für die Betreiber stelle sich dann die Frage, wie ihre Anlagen weiterhin unter wirtschaftlichen Gesichtspunkten betrieben werden können. Er forderte in diesem Zusammenhang bessere Rahmenbedingungen für die Eigenversorgung, einen Abbau der durch aufwendige Meldelisten hohen Bürokratie sowie mehr Rechtssicherheit durch regelmäßige Abstimmungsprozesse mit der EU.
Laut Prognose werde es in Deutschland bis zum Jahr 2037 rund 1,2 Millionen Photovoltaikanlagen mit abgelaufener Förderung geben, sagte Alexander Burkhardt, Key Account Manager bei E.Vita Energie. Wenn die für 20 Jahre festgeschriebene Vergütung für den eingespeisten Strom auslaufe, bestehe – je nach Zustand der Anlage und ihrer Komponenten – die Möglichkeit eines Abbaus und Verkaufs von Anlagenkomponenten. Ratsam sei allerdings, die verfügbare Ertragsleistung der Photovoltaikanlage weiterzunutzen. Grundsätzlich bestehe nach Ablauf der Förderung weiterhin ein Anspruch auf Netzanbindung und Abnahme des erzeugten Stroms. Eine Lösung könne hierfür die sogenannte Direktvermarktung sein. Erforderlich sei dann aber, einen Vertrag mit einem Energieversorgungsunternehmen, einem Stadtwerk oder einem anderen Stromhändler abzuschließen, der den eingespeisten Strom der PV-Anlage ins Netz abnehme. Eine Direktvermarktung, so der Experte, lohne sich rein rechnerisch nach Abzug der Kosten ab einer Anlagengröße von rund 25 Kilowatt-Peak beziehungsweise 20.000 Kilowattstunden im Jahr. Der Gesetzgeber habe auch festgelegt, so Burkhardt, dass Betreiber von Anlagen zur Erzeugung von erneuerbaren Energien, die seit dem 1. Januar 2016 in Betrieb genommen wurden, ab einer installierten Leistung von 100 Kilowatt-Peak verpflichtet sind, ihren Strom direkt zu vermarkten.
Wenn sich eine Direktvermarktung für Betreiber kleinerer Anlagen nicht lohne, könne Eigenverbrauch lukrativ sein. Die Kosten, die bei der Erzeugung von Solarstrom entstünden, seien deutlich niedriger als die Preise für auf dem Strommarkt bezogenen Strom. Einkalkulieren müssten die Betreiber von Photovoltaikanlagen allerdings, dass sie für selbst verbrauchten Strom 40 Prozent der EEG-Umlage bezahlen müssen. Dies gelte jedoch nicht für kleine PV-Anlagen mit bis zu 10 Kilowatt Leistung.
Über Technologien und Lösungen, um erneuerbare Energie mit hoher Effizienz zu nutzen und zu speichern sowie intelligent und kosteneffizient zu verteilen und zu verbrauchen, informierte Georg Stangl im Anschluss die Photovoltaik-Interessierten. Eine Nachrüstung von Speicherlösungen könne lohnen, um den von der eigenen Photovoltaikanlage erzeugten Strom auch nach Auslaufen der EEG-Vergütung wirtschaftlich zu nutzen – unabhängig von Wetterbedingungen oder Uhrzeit. Batteriespeichersysteme seien inzwischen so leistungsfähig, dass sie den Stromverbrauch außerhalb der Stromerzeugungszeiten zum Teil sicherstellen und Lastspitzen abfangen könnten. „Du kannst dein Leben mit 100 Prozent erneuerbarer Energie gestalten“, zitierte Stangl einen Werbeslogan und verwies auf die Technologien der Sektorenkopplung. Damit die Energiewende gelinge, müsse die Umstellung auf erneuerbare Energien in allen Sektoren gelingen – beispielsweise auch beim Heizen eines Hauses durch Solarthermie oder mit PV-Strom oder beim Laden von Elektroautos über Wandladestationen.