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Zahl der Ermittlungsverfahren erreicht Höchststand – Trend allerdings differenziert zu betrachten

Bild: Kim Enderle
Die Staatsanwaltschaft Ravensburg hat in einer Pressekonferenz am Donnerstag Bilanz für das Jahr 2022 gezogen. Prägend war bei der Zahl der Ermittlungsverfahren eine erneute Steigerung um 8 Prozent im Vergleich zum Vorjahr, wenngleich die Hintergründe größtenteils auf dem Übergang aus der Corona-Pandemie, gesetzlichen Änderungen sowie einem veränderten Anzeigeverhalten basieren. 
Alexander Boger, Leitender Oberstaatsanwalt, berichtete in der Pressekonferenz zunächst vom erneuten Anstieg der eröffneten Ermittlungsverfahren. Mit 27.247 gegen bekannte Beschuldigte sowie weiteren 20.000 gegen „Unbekannt“ bedeutete für die Justizbehörde eine Steigerung um 8 Prozent. “Das ist ein gewaltiger Anstieg und bestätigt den jährlichen Trend”, sagte der Behördenleiter bei seiner Einleitung und machte das zu bewältigende Arbeitspensum auch konkret. “Rund 80 Fälle müssen von den Staatsanwältinnen und Staatsanwälten bearbeitet werden – pro Monat. Alexander Boger machte allerdings deutlich, dass die blanken Zahlen der Ermittlungsverfahren differenziert zu bewerten sind. Die Argumente der Staatsanwaltschaft Ravensburg, die für den Landkreis Ravensburg und Biberach sowie etwa der Hälfte der Landkreise Sigmaringen und Bodenseekreis zuständig ist, sich auch mit denen, die zeitgleich in Berlin für das gesamte Bundesgebiet vorgestellt wurden.  Neben einer niedrigeren Hemmschwelle, Straftaten anzuzeigen, gibt es insbesondere bei Sexualdelikten durch eine Gesetzesänderung deutliche Zuwächse bei den Fallzahlen.
Oberstaatsanwalt Wolfgang Angster untermauerte dies mit einem konkreten Beispiel. Wenn in einer WhatsApp-Gruppe mit 100 Personen ein für das Sexualstrafrecht relevantes Bild auftaucht und eines der Smartphones und es zu einer Anzeige kommt, wird gegen alle 100 Personen eine Ermittlungsakte eröffnet“, betonte Angster. Die neue Gesetzeslage geht aber noch weiter. Auch der reine Besitz oder die Weiterleitung sind strafbar und wird geahndet. Der Oberstaatsanwalt beschrieb hier ein Beispiel einer Mutter, die völlig entrüstet über den zweifelhaften Umfang ihrer Töchter ein strafwürdiges Bild einer anderen Mutter weitergeleitet hatte. Ungeachtet des Hintergrunds wird die Frau automatisch mit einer Freiheitsstrafe von 1 Jahr konfrontiert. „Früher hätte man so ein Verfahren eingestellt, aber das ist uns jetzt gar nicht mehr möglich”, betont Wolfgang Angster. Auch der Besitz oder das Weiterleiten von nationalsozialisten Symbolen beschert der Staatsanwaltschaft immer wieder mehrere Verfahren auf einen Schlag.
Ein regelrechter Boom erlebt vor allem die Internetkriminalität, die größtenteils dem Deliktfeld „Geldwäsche“ zugeordnet wird. Hier sind die Grenzen fließend und trotz enormen Anstrengungen bei der Aufklärung gibt es auch bei der Staatsanwaltschaft täglich neue Anzeigen nach gescheiterten Verkäufen auf Kleinanzeigen-Portalen und dubiosen Internet-Shops. Aber auch Enkeltrick und Schockanrufe haben weiter Hochkonjunktur. Hier an die Täter zu kommen, sei äußerst schwer und meist unmöglich, wie Oberstaatsanwältin Christine Weiß erläuterte. „Die Hinterleute sitzen da im Ausland und trotz Rechtshilfe-Abkommen mit manchen Staaten kommen wir da nicht ran. Auch ist das Geld in der Regel weg, wenn die Zahlungen von einem Konto zum anderen weitergeleitet werden.“ Generell sei, so die Staatsanwaltschaft in ihrer Einschätzung, die Internetkriminalität die neue Form von Ladendiebstahl und Banküberfall. Das Risiko erwischt zu werden sei größtenteils gering, die Beute aber meist zufriedenstellend.
Mit ein Grund des Anstiegs der Ermittlungsverfahren sind auch die Effekte nach den Einschränkungen der Corona-Pandemie. Beispielsweise lebte das gesellschaftliche Leben wieder auf, es gab mehr Events und auch die Arbeit war wieder geregelt. Während viele Beschäftigte in Homeoffice waren, gab es freilich so gut wie keine Wohnungseinbrüche. Auch ebbten die Proteste von Gegnern der Corona-Maßnahme spürbar ab. Zuvor hatten die Staats- und Amtsanwälte unzählige Verfahren von Verstößen gegen das Versammlungsrecht auf den Schreibtischen liegen.
Weitere Details aus dem Rückblick der Staatsanwaltschaft lesen Sie in unseren nächsten Updates
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