Mit der aktuellen Konjunkturlage beschäftigten sich die Mitglieder der Vollversammlung der Industrie- und Handelskammer Bodensee-Oberschwaben schwerpunktmäßig in ihrer Wintersitzung in Weingarten. Auch Beschlussfassungen und Informationen aus der aktuellen IHK-Arbeit standen auf der Tagesordnung.
Derzeit beherrschten Themen wie Arbeitskosten, Tariftreuegesetz oder Mindestlohn die Diskussionen, sagte Martin Buck, Präsident der Industrie- und Handelskammer Bodensee-Oberschwaben (IHK), in seiner Begrüßung. Teilweise entstehe in öffentlichen Diskussionen der Eindruck, dass Unternehmen vor allem eine Geldquelle für Umverteilung seien, ohne deren fundamentale Rolle für Wohlstand, Staatsfinanzierung und soziale Absicherung zu sehen. Umfragen zeigten jedoch, so Buck weiter, dass Politik und die breite Gesellschaft sich bewusst seien, dass es hierfür eine starke Wirtschaft brauche. Viele Menschen aber hätten angesichts der vielen Unsicherheit Zukunftssorgen und würden täglich mit neuen Ängsten konfrontiert. Dabei, so Buck, sei es wichtig, sich klarzumachen, dass Staat, Wirtschaft, Arbeitnehmer, Empfänger von Transferleistungen und alle anderen eine Solidar- und Schicksalsgemeinschaft sind. Einige der aktuellen Diskussionen würden aber nicht nüchtern, sachlich und ehrlich geführt. Es gelte daher, Ängste und Sorgen ernst zu nehmen, wirtschaftliche Zusammenhänge und auch unbequeme Wahrheiten transparent zu machen, aber gleichzeitig die längst auf dem Tisch liegenden Lösungswege für ein Vorankommen und die Nutzung der vorhandenen Chancen zu benennen. „Wir müssen aber auch realistisch Grenzen aufzeigen, was nicht finanzierbar und leistbar ist.“
Als Schritte in die richtige Richtung nannte Buck die Arbeitsanreize rund um die neue Grundsicherung, den Industriestrompreis oder auch die Aktivrente. Positiv sei zudem, dass nun bei den Berichts- und Sorgfaltspflichten für Unternehmen rund um Nachhaltigkeit eine Lösung mit Augenmaß statt 100-Prozent-Kontrollpflicht verfolgt werden. Als weitere gute Nachrichten nannte der IHK-Präsident die neuen Verbindungen des Bodensee Airports Friedrichshafen nach Düsseldorf, Berlin und Hamburg, den Stopp des Prüfprozesses zum Biosphärengebiet Allgäu-Oberschwaben, ohne hierbei die damit verfolgten Ziele aufzugeben, sowie die spürbaren Fortschritte rund um das Thema Gesamtverteidigung, für welches die IHK als Koordinierungsstelle aktiv ist. Buck: „Wir müssen als IHK bei den großen Linien, aber jeden Tag auch im Kleinen und Konkreten an zahlreichen Einzelthemen arbeiten. Es bleibt viel zu tun.“
Regionale Konjunktur: Wirtschaft tritt auf der Stelle
„2025 war ein sehr herausforderndes Jahr und leider tritt die regionale Wirtschaft noch immer auf der Stelle“, sagt Bettina Wolf vom IHK-Geschäftsbereich Unternehmensförderung und Regionalentwicklung. Sie informierte die Vollversammlungsmitglieder über die Ergebnisse der Herbst-Konjunkturumfrage der IHK. Die Region befinde sich mittlerweile seit drei Jahren im konjunkturellen Abschwung. Der Arbeitsmarkt sei noch stabil, aber die Nachfrage nach Arbeitskräften sinke und es gebe in vielen Branchen Stellenabbau. Die Unternehmensinsolvenzen haben im ersten Quartal 2025 laut Bettina Wolf landesweit um 6 Prozent zugenommen – die Region Bodensee-Oberschwaben verzeichnete 42 Insolvenzen, im Vorjahreszeitraum waren es 19. Die Wirtschaftslage bleibe angespannt, so Bettina Wolf weiter. Nur 30 Prozent der befragten Unternehmen beurteilten im Herbst ihre Geschäftslage als gut, 47 Prozent als befriedigend und 23 Prozent als schlecht. Die Umsätze stagnierten auf geringem Niveau, der Auftragseingang zeige kaum Belebung. Investitionen im Inland würden weiter zurückgehalten oder blieben meist auf Ersatz, Rationalisierung oder Digitalisierung beschränkt. Nur wenige Betriebe planten Erweiterungsinvestitionen oder Neueinstellungen, berichtete Bettina Wolf. 59 Prozent der Betriebe sähen die Arbeitskosten als eines ihrer größten Geschäftsrisiken – vor allem im Einzelhandel und in der Gastronomie. Auch Energiepreise (44 Prozent) und Bürokratie belasteten die Unternehmen weiterhin erheblich. Immer mehr Probleme gebe es auch in der Finanzlage. Entsprechend seien die Erwartungen im Keller: Nur 17 Prozent der befragten Unternehmen erwarten laut Umfrage eine bessere Geschäftsentwicklung, 59 Prozent eine gleichbleibende und 24 Prozent eine schlechtere.
Die Industrie stehe weiter unter Druck und zeige eine zweigeteilte Entwicklung, sagte Bettina Wolf. Sowohl der Anteil der guten als auch der schlechten Lageeinschätzungen ist gegenüber der Vorumfrage gestiegen. Während der strukturelle Wandel für einige Unternehmen mit negativen Folgen verbunden ist, gelingt anderen die Anpassung – etwa an neue Märkte – deutlich besser. Auch beim Umsatz – sowohl im In- als auch im Ausland – zeigt sich diese Zweiteilung zwischen positiver und rückläufiger Entwicklung, allerdings bleibt die Umsatzentwicklung laut Bettina Wolf insgesamt schwach.
Die beiden Vollversammlungsmitglieder Steffen Erbe (Renger Kunststoffspritzteile GmbH & Co. KG) und Markus Müller (EBZ SE) bestätigten die Umfrageergebnisse. Im Jahr 2024 habe Renger Umsatzeinbußen in Höhe von 18 Prozent verzeichnet, berichtete Steffen Erbe. „Wir waren 2025 fast ein Dreivierteljahr ohne einen einzigen Auftrag.“ Ab September seien dann so viele Aufträge eingegangen, „dass wir sogar Aufträge absagen mussten“. Für die EBZ-Unternehmensgruppe sei 2025 ein gutes Geschäftsjahr gewesen, sagte Markus Müller. Auch die Geschäftserwartungen für das kommende Jahr seien positiv. Die Flucht vieler produzierender Unternehmen ins Ausland werde aber anhalten, so Müller weiter. Allein die Arbeitskosten lägen in Deutschland nach hohen Tarifabschlüssen 22 Prozent über denen anderer Industrieländer. „Unsere Produktivität ist trotzdem nicht höher.“
Im Einzelhandel sei der Abschwung spürbar, die Kauflaune sei im Keller, berichtete Bettina Wolf. Nur noch jeder zehnte Einzelhändler bewerte seine Geschäftslage als gut, 59 Prozent als befriedigend und 31 Prozent als schlecht. Für die kommenden zwölf Monate erwarte die große Mehrheit der Einzelhändler eine gleichbleibend schwierige oder sogar schlechtere Geschäftslage. Auch im Großhandel habe sich im Herbst 2025 die Stimmung weiter eingetrübt. Umsätze und Bestellungen sinken. Nur knapp 18 Prozent der Unternehmen bewerten ihre Geschäftslage als gut, 55 Prozent als befriedigend und 27 Prozent als schlecht. Der Trend beim an die Industrie oder den Bausektor gekoppelten Großhandel sei negativ, bestätigte Vollversammlungsmitglied Marcus Thommel (Thommel Industrie- und Handwerkerbedarf GmbH). Auch das Haushaltswarengeschäft sei rückläufig. Innenstadtgeschäft und Onlinegeschäft hätten zwar gut funktioniert, „allerdings nur durch Rabatt- und Aktionsverkäufe“.
Auch bei den Dienstleistern gebe die Geschäftslage nach, sagte Bettina Wolf. 40 Prozent der Betriebe stufen ihre Geschäftslage als gut ein, 42 Prozent als befriedigend und 18 Prozent als schlecht. Die Geschäftserwartungen seien leicht steigend. Das Geschäftsjahr sei gut gelaufen, berichtete Vollversammlungsmitglied Roland Futterer (Grieshaber Logistik GmbH). „Trotz aller Schreckensszenarien: Güter werden immer benötigt.“ Das Logistikunternehmen Grieshaber sei mit einem umfangreichen Portfolio sehr breit aufgestellt und habe Kunden aus vielen verschiedenen Branchen. Trotz Kostensteigerungen und hoher Preise, die an Kunden kaum mehr weitergegeben werden könnten, verzeichne das Unternehmen stabile Ergebnisse und habe in den vergangenen Jahren viel investiert. Als Risiken nannte Futterer Arbeitskosten, Fahrermangel, Bürokratie- und Strukturkosten. Vor allem auch die IT-Kosten seien enorm in die Höhe geschnellt.
Die Geschäftslage im Hotel- und Gaststättengewerbe habe sich nicht verbessert, die Beurteilung bleibe hinter dem vergleichbaren Vorjahreszeitraum zurück, so Bettina Wolf. 30 Prozent der Betriebe bewerten ihre Lage als gut, 57 Prozent als befriedigend und 13 Prozent als schlecht. Nur noch 8 Prozent der Unternehmen erwarten eine Verbesserung ihrer Geschäftslage, 60 Prozent rechnen mit einer gleichbleibenden und 32 Prozent mit einer schlechteren Geschäftslage. Er blicke optimistisch in das Jahr 2026, sagte Vollversammlungsmitglied Thomas Walser (pano GmbH). Das Franchise-Unternehmen sei keine Vollgastronomie und habe 2025 ein Umsatzplus in Höhe von 5 Prozent erwirtschaftet. Es gebe zahlreiche Franchise-Anfragen. Trotz Lohnsteigerungen rechne man auch für das kommende Jahr mit einem Umsatzplus.
Beschlussfassungen
Auch wichtige Beschlussfassungen als Grundlage für die politische Interessenvertretung standen auf der Tagesordnung der Vollversammlung: Ihre volle Zustimmung erteilten die Vollversammlungsmitglieder unter anderem der Feststellung des geprüften Jahresabschlusses 2024, dem Prüfbericht sowie der Entlastung von Präsidium und Hauptgeschäftsführung. Gleichfalls einstimmig verabschiedeten sie die Wirtschafts- und Finanzplanung sowie Wirtschaftssatzung 2026.
Einstimmig beschlossen wurde zudem die Änderung der Benennung von Mitgliedern des Berufsbildungsausschusses: Martin Stocker, Rolls-Royce Power Systems AG, Friedrichshafen, wechselte vom stellvertretenden zum ordentlichen Arbeitgeber-Mitglied. Edeltraud Wahl, RAFI GmbH & Co. KG, wurde stellvertretendes Arbeitgeber-Mitglied. Auch der Nachberufung von Sofia Sauter, Verallia Deutschland AG, in den Energieausschuss der IHK erteilten die Vollversammlungsmitglieder einstimmige Zustimmung.
Abschied von der Vollversammlung
Susanne Nebel, Inhaberin von Nebel EDV Dienstleistungen in Ravensburg, übergibt ihr Unternehmen an einen Nachfolger.
Aus der aktuellen IHK-Arbeit
Aus der aktuellen IHK-Arbeit berichtete abschließend IHK-Hauptgeschäftsführer Dr. Sönke Voss. Unter anderem nannte er politische Gespräche und Stellungnahmen, beispielsweise zu den Themen Sicherheitspolitik, Infrastruktur-Zukunftsgesetz, Kreislaufwirtschaft, Energieversorgung oder Arbeitskosten. Zudem berichtete er von einer Reihe weiterer Digitalisierungsmaßnahmen innerhalb der IHK sowie von der Ergänzung des IHK-Unterstützungsportfolios um verschiedene aktuelle Themen.


