Die Corona-Pandemie und die damit verbundenen Stufen von Einschränkungen und Lockdowns haben Wirtschaft, Handel und Gewerbe auch in Ravensburg schwer gebeutelt – mit offenem Ende. Noch immer fehlen bekanntlich die Perspektiven. Das vermeintliche Licht am Ende des Tunnels, die flächendeckenden Impfungen, laufen mangels zur Verfügung stehendem Impfstoff erschreckend schleppend und inzwischen macht sich weitere Verunsicherung über die Mutationen des Covid-19 Virus breit.
Wie schwer die Auswirkungen sein werden und wie viele Geschäfte und Unternehmen dann über einem Jahr der drastischen Umsatzeinbrüche auf der Strecke bleiben werden, kann derzeit schwer abgeschätzt werden. Die Tendenzen bieten aber schon jetzt Grund zur Sorge, wie Oberbürgermeister Daniel Rapp am Dienstag in einem Pressegespräch einräumte. „Vor allem beim Einzelhandel, der Gastronomie und den Dienstleistungen wie Friseuren oder ähnliches werden das leider nicht alle überleben“, betont das Stadtoberhaupt. Dies auch vor dem Hintergrund, dass die Innenstädte sich schon vor der Corona-Pandemie gegen einen Strukturwandel aufgrund des Internethandels stemmen mussten.
Drastische Auswirkungen hätten Geschäftsaufgaben und Insolvenzen vorrangig auf die Inhaber und Mitarbeiter, im nächsten Zuge würde die Innenstadt aber auch ihre Vielfältigkeit verlieren. „Genau diese Lebendigkeit und das Zusammenspiel von Handel und Gastronomie macht Ravensburg aus, deshalb sind wir das Wohnzimmer Oberschwabens“, erklärte Daniel Rapp. Auch für viele Unternehmen, die auf der Suche nach Fachkräften sind und nach Ende der Pandemie wieder sein werden, brauchen eine attraktive Innenstadt und kulturelles Leben als Standortfaktor. Nicht zu vergessen ist auch der Tourismus. Ravensburg gilt bei Tagestouristen der Bodenseeregion als äußerst beliebt.
Um diese Lebendigkeit nach der Corona-Krise zu sichern, hat die Stadt Ravensburg dem Gemeinderat ein sogenannter 12-Punkte Plan vorgestellt. Er umfasst ein breites Feld an Maßnahmen und Projekten, die nach dem schrittweisen Öffnen angegangen werden könnten. Der Plan soll am 1. März zu Abstimmung kommen.
„Wir haben einige Punkte so vorbereitet, dass ein breiter Konsens der Gemeinderatsfraktionen entstehen soll.“
Bis zu 250.000 Euro umfasst das Volumen der Maßnahmen, die teils durch Verzicht von Gebühren für den städtischen Haushalt, aber auch Investitionen, Förder- und eventuellen Hilfsprogrammen verbucht werden sollen. Eingeflossen sind in die Themenbereiche einige Erfahrungen aus dem Lockdown im Frühjahr des vergangenen Jahres und weiteren Zeitabschnitten.
Sehen Sie nachfolgend die 12 Punkte, die dem Gemeinderat vorgeschlagen werden sollen:
Soforthilfeprogramme der Stadt für Gastronomie und Handel
- Verzicht auf die Sondernutzungsgebührenerhebung für das Jahr 2021 für die Nutzung des öffentlichen Raumes durch die Gastronomie und den Einzelhandel für das Jahr 2021. Dies wurde bereits 2020 so gehandhabt, auch um die Hygienekonzepte und -Anforderungen zu vereinfachen.
- Erlass der Sondernutzungsgebühren Außenbestuhlung Gastronomie
- Erlass der Sondernutzungsgebühren für Warenpräsentationen/Werbeanlagen etc. für Einzelhandel und Dienstleistungsbetriebe
Bereits im Sommer/Herbst vergangenen Jahres konnte den Gastronomiebetrieben durch die Erweiterung ihrer bis dato genehmigten Außengastronomiefläche geholfen werden, trotz erforderlicher größerer Abstandsflächen zwischen den Sitzplätzen ihre Kapazitäten zu erhalten bzw. teilweise zu erweitern. Dies hat zugleich zu einer Aufwertung/Belebung vieler Bereiche geführt und sich somit positiv auf das Stadtbild ausgewirkt. Die Stadtverwaltung empfiehlt, die Regelung in 2020 auch für 2021 umzusetzen.
Investitionen in Marketing – Kampagnen nach Ende des Lockdowns
Neben einem qualitätsvollen, inhabergeführten Einzelhandel, ergänzt mit wichtigen Filialisten, einer vielfältigen Gastronomie, hochwertigen kulturellen und touristischen Angeboten, dem Wochenmarkt und weiteren Märkten, macht das besondere Flair und die hohe Aufenthaltsqualität den Charme der Stadt aus. Diese Qualitäten und Besonderheiten sollen nach Beendigung des Lockdowns im Rahmen einer gemeinsamen Kampagne mit dem „Wifo“ sowie Social Media-Marketing in einer viel höheren Intensität als bisher im Umkreis von 50 km beworben werden. Ziel ist es, benötigte Kunden- und Besucherfrequenzen zu erzielen. Die bewährten Marketingmaßnahmen der „Initiative Ravensburg“ werden beibehalten.
Auch in der touristischen Vermarktung wird durch Kooperationen im Rahmen des aktuellen Restart-Sonderprogrammes des Landes zur Bewerbung Baden-Württembergs die Bewerbung Ravensburgs als Reise- und Urlaubsziel intensiviert. Generelles Ziel der Stadt ist es, neben der Bewerbung von Ravensburg als Tagesausflugsziel, die Stadt noch stärker als Urlaubsort in der Region Bodensee und Oberschwaben zu positionieren. Hauptzielgruppen sind hierbei Familien sowie Städte- und Kulturtouristen, wie im Tourismuskonzept empfohlen. Auch ein erneuter Workshop mit Hotelbetreibern und größeren Beherbergungsbetrieben soll zeitnah durchgeführt werden.
Aufenthaltsqualität als Qualitätsmerkmal
Die Verweilqualität und Wohlfühlatmosphäre gewinnt eine immer höhere Bedeutung, damit Innenstädte auch in Zukunft lebendig und nachgefragt bleiben. Neben den städtebaulichen Maßnahmen zur Steigerung der Aufenthaltsqualität, zuletzt die Neugestaltung des Gespinstmarktes und des Frauentorplatzes, wurden in den vergangenen Jahren verschiedenste Maßnahmen zur Erhöhung der Aufenthaltsqualität auf Grundlage der Konzeption Innenstadtgestaltung des Stadtplanungsamtes umgesetzt: Schaffung von neuen konsumfreien Räumen (Bsp. im Bereich Aufzug Marienplatztiefgarage), zusätzliche Bänke und Spielgeräte etc. Dieses Konzept gilt es auch im Hinblick auf die in der Stadtmarketing- und Tourismuskonzeption aufgezeigte Profilschärfung bzw. bessere Wahrnehmbarkeit des Claims „Stadt der Spiele“, beispielsweise durch temporäre Spielangebote aber auch durch weitere Spielgeräte, konsequent fortzuführen.
Genauso wichtig sind auch temporäre Projekte, wie der im letzten Jahr umgesetzte „blaue Bach“ auf dem Gespinstmarkt, die Blaserturm-Lichtkonzeption durch das Kapuziner Kreativzentrum und neue Elemente in der Weihnachtsbeleuchtung. Dadurch gelang uns eine erhebliche mediale Aufmerksamkeit und die Schaffung eines besonderen Flairs in der Stadt.
Durchführung kultureller Veranstaltungen im Innenstadtbereich zur Belebung der Innenstadt
Neben der Durchführung von Großveranstaltungen wurden in den letzten Jahren immer wieder kleinere Veranstaltungen in der Innenstadt durchgeführt, um ein besonderes Flair und auch eine besondere Aufenthaltsqualität zu erzielen. In Kooperation mit dem städtischen Kulturamt, dem „Wifo“ und weiteren Partnern sollen solche Angebote sobald wieder möglich bzw. im Sommer/Herbst in größerer Anzahl als in den Vorjahren zur Belebung der Innenstadt angeboten werden. Mit Fertigstellung des Gespinstmarktes im Spätsommer 2021 sollen auch dort verstärkt kleinere Events angeboten werden. Die Art und der Umfang dieser Veranstaltungen ist abhängig von der Pandemieentwicklung und den daraus abgeleiteten rechtlichen Vorgaben.
Veranstaltungen als Frequenzbringer für die Stadt, Einzelhandel, Gastronomie
Im vergangenen Jahr konnten aufgrund der Pandemiemaßnahmen keine Großveranstaltungen durchgeführt werden. Vor der Corona-Krise waren die Verkaufsoffenen Sonntage, der Christkindlesmarkt, weitere Großveranstaltungen sowie Märkte wichtige Frequenzbringer für den Handel, die Gastronomie und weitere Branchen in der Innenstadt. Zum jetzigen Zeitpunkt ist noch ungewiss, ab wann solche Veranstaltungsformate wieder durchgeführt werden können. Zum teilweisen Ausgleich der Umsatzausfälle der Lockdown-Phasen in 2020 und 2021 plant das Wirtschaftsforum Pro Ravensburg in Kooperation mit der Stadt für das Jahr 2021, drei Verkaufsoffene Sonntage zu beantragen. Die gesetzlich erforderlichen Anlässe dieser drei Verkaufsoffenen Sonntage sind der Mobilitätstag, ein Spezialmarkt „regional, nachhaltig und fair“ sowie der „Sonntag interkulturell“. Das jeweilige Veranstaltungsdatum ist abhängig von der Pandemieentwicklung. Die Verwaltung empfiehlt daher, für das Jahr 2021 die Zuständigkeit des Gemeinderates für die Genehmigung der Verkaufsoffenen Sonntage auf den Oberbürgermeister zu übertragen, um flexibel – auf die jeweilige Infektionslage sowie die rechtlichen Rahmenbedingungen angepasst – die Verkaufsoffenen Sonntage per Allgemeinverfügung genehmigen und durchführen zu können. Sofern die Anzahl der maximal zulässigen Verkaufsoffenen Sonntage durch das Land im Jahr 2021 erhöht oder das Anlasserfordernis ausgesetzt würde, spricht sich die Stadtverwaltung dafür aus, dem Einzelhandel die maximal zulässige Anzahl an Verkaufsoffenen Sonntagen zur Durchführung zu ermöglichen, sofern dies vom Wirtschaftsforum Pro Ravensburg gewünscht werden sollte.
1 Euro-Stadtbustarif an den Verkaufsoffenen Sonntagen
Die Stadtverwaltung empfiehlt bei einer Durchführung dieser Verkaufsoffenen Sonntage die Anwendung des 1 Euro-Tarifes im Stadtbusgebiet. Dies wurde bereits beim letzten Mobilitätstag im Jahr 2019 umgesetzt.
Nutzungsvielfalt und Branchenmix in der Innenstadt sichern
Das bereits seit Jahren praktizierte Leerstands- und Ansiedlungsmanagement wird engagiert fortgesetzt. Wir intensivieren den engen Austausch mit der Immobilienwirtschaft, den Gebäudeeigentümern und der städtischen Wirtschaftsförderung. Ziel ist es, neue Konzepte bzw. Nachnutzungen für die Gebäude in der Innenstadt zu gewinnen. Auch qualitätsvolle Gastronomie steht im Mittelpunkt: Besonders nach der ersten Lockdown-Phase im Frühjahr 2020, wurde die zentrale Rolle der Gastronomie als Qualitätsmerkmal für die Innenstädte überdeutlich. Deshalb wird die Verwaltung ein Konzept erarbeiten, das neben Einzelhandelsansiedlungen auch die Ansiedlung zusätzlicher qualitätsvoller Gastronomiekonzepte ermöglicht. Daneben werden die Innenstädte abseits der Haupteinkaufslagen (bzw. in den sog. 1b und 1c-Lagen) nach Einschätzung der Verwaltung zukünftig stärker auch andere Nutzungsformen als die bisher gewohnten aufweisen. So werden dort zukünftig Co-Working-Konzepte, Showrooms für Handwerksbetriebe als EG-Nutzungen an Bedeutung gewinnen.
Durchführung eines Innenstadtdialoges
Da die Stadt nur wenige eigene Immobilien in der Altstadt besitzt, lädt der Oberbürgermeister, gemeinsam mit dem Wirtschaftsforum Pro Ravensburg, zu einem Innenstadtdialog ein, um mit den Gebäudeeigentümern und wesentlichen Nutzern ins Gespräch zu kommen. Wir möchten hierbei nicht nur über die aktuellen und allgemeinen Entwicklungen informieren und sensibilisieren, sondern auch konkrete Themen ansprechen: Konzepte für nachhaltige Nutzungen, Ideen für kleinteilige Flächen und ungünstige Grundrisse, aber auch die Mietpreissit-uation für Handel und Gastronomie muss hierbei angesprochen werden. Wir möchten als Stadt selbst auch Vorbild sein: Für die städtischen Gewerbeimmobilien schlägt die Stadtverwaltung vor, die aktuellen Konditionen auf ihre Marktkonformität zu überprüfen.
Digitalisierungsprozesse fördern
Bereits seit einigen Jahren bietet die „Initiative Ravensburg“ (Stadt und „Wifo“) regelmäßig Schulungsveranstaltungen zu den Themen Digitalisierungsprozesse und Online-Präsenz für Unternehmen (Schwerpunkt Einzelhandel) an. Wie wichtig diese digitale Ausrichtung ist, haben die Lockdown-Phasen verdeutlicht. Auch im Jahr 2021 werden von Seiten der „IR“ verschiedene Schulungsformate mit Kooperationspartnern hierzu angeboten. Die beiden ersten Veranstaltungsformate finden bereits im März und April, jeweils mit dem Kompetenzzentrum Handel, statt.
Kostenloser ÖPNV an den Adventsamstagen 2021
Darüber hinaus regt die Verwaltung nach der Einführung und dauerhaften Beibehaltung des 1-EUR-Samstag-Tarifes im Stadtbusverkehr sowie der Einführung der Kurzstreckentarife die Umsetzung eines kostenfreien ÖPNVs an den Adventsamstagen im Jahr 2021 an. Dieses Modell der kostenfreien ÖPNV-Nutzung an Samstagen wird bereits in anderen Städten erfolgreich umgesetzt. Mit einem solchen Angebot könnten weitere Impulse für ein verändertes Mobilitätsverhalten der Ravensburger Bürger erzielt und die Kundenfrequenzen in einer für den Einzelhandel wichtigsten Zeiten im Jahr in der Innenstadt gesteigert werden
Vorschläge für die Einführung eines flexiblen Tarifsystems in den städtischen Parkhäusern
Eine gute Erreichbarkeit der Innenstädte (mit allen Verkehrsmitteln) ist in Zeiten eines immer weiter zunehmenden Anteils im Online-Handel für den stationären Einzelhandel von grundlegender Bedeutung. Hierbei ist es der Stadtverwaltung wichtig, sowohl für den MIV als auch für den ÖPNV Impulse zu setzen. Die Stadtverwaltung wird hierzu Vorschläge zur Einführung eines dynamischen Tarifmodells in den städtischen Parkhäusern, mit vergünstigten Tarifen in geringen Auslastungsphasen, erarbeiten.
Neue Konzepte für die Innenstadt
Die städtische Wirtschaftsförderung erarbeitet derzeit ein Konzept für einen Start-up-Wettbewerb. Wir möchten neue, innovative und einzigartige Nutzungen mit einem Preisgeld auszeichnen. Integriert sollen auch betreuende Angebote sein, damit starke Impulse für eine Ansiedlung in unserer Stadt ausgehen. Dieser Start-up-Wettbewerb Innenstadt soll im zweiten Quartal 2021 ausgelobt werden. Hierzu bedarf es einer professionellen Begleitung von externen Beratern und die Einbindung von „Wifo“, IHK und weiteren Partnern. Zur Umsetzung eines solchen Wettbewerbs ist eine Budgetaufstockung der städtischen Wirtschaftsförderung in Höhe von 20.000 EUR erforderlich.


