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Wirtschaft und Business

Digitalisierung im Zeichen der Energiewende

Sprachen in Weingarten über Digitalisierung und neue Technologien rund um die Energiewende (von links): Professor Dr. Wolfgang Ertel (Hochschule Ravensburg-Weingarten), Professor Dr. Werner Tillmetz (Universität Ulm), Dr. Sönke Voss (Bereichsleiter IHK IT | Innovation | Technologie) und Professor Dr. Tobias Eggendorfer (Hochschule Ravensburg-Weingarten). Bild: IHK/Phototree Patrick Kunkel

WEINGARTEN
Bei Technologien rund um die Energiewende spielt die Digitalisierung mittlerweile eine große Rolle und es besteht ein vielfältiges Potenzial bei der Positionierung innovativer Produkte. „Bereits seit Jahrzehnten setzen sich Unternehmen mit den Herausforderungen der Digitalisierung auseinander“, sagte Dr. Sönke Voss, Leiter des Geschäftsbereichs IT | Innovation | Technologie der Industrie- und Handelskammer Bodensee-Oberschwaben (IHK), bei einer Informationsveranstaltung der IHK zur Energiewende. Die Firmen seien heute in Sachen Digitalisierung schon recht weit, aber noch immer gebe es Vernetzungs- und Informationsbedarf, betonte Voss. Rund 80 Teilnehmer waren nach Weingarten gekommen, um sich über neue Geschäftsmodelle und Effizienztechnologien für Unternehmen, aber auch über neue Herausforderungen wie beispielsweise Cyber-Kriminalität zu informieren. Die IHK biete nicht nur Beratung und Information, sondern engagiere sich auch im Bereich Technologietransfer, so Voss weiter. Sie helfe Unternehmen gerne bei der Umsetzung von Projekten und übernehme die Vermittlung zwischen Hochschulen und Unternehmen, bestätigte die IHK-Technologietransfer-Beauftragte Melanie Riether.

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Was künstliche Intelligenz wirklich kann, führte Professor Dr. Wolfgang Ertl von der Hochschule Ravensburg-Weingarten den Veranstaltungsteilnehmern vor. Er hatte sogar einen kleinen Roboter mitgebracht, um das Lernen künstlicher Intelligenz durch Verstärkung zu demonstrieren. „Hierbei muss der Roboter durch Versuch und Irrtum herausfinden, welche Aktionen gut sind“, erklärte Ertl. Ein Roboter sei dann lernfähig, wenn er für eine bestimmte Aufgabe nicht mehr klassisch programmiert werden müsse, sondern sein Verhalten erlernen könne – auch, indem der Mensch ihm einzelne Arbeitsschritte vormache. Mit einem Film zeigte er, wie ein Roboter auf diese Weise durch Demonstration das Einschenken von Getränken erlernte. Gemeinsam mit dem KBZO habe die Hochschule einen Assistenzroboter für Menschen mit körperlichen Behinderungen entwickelt, berichtete Ertl – eine Entwicklung, die den Betroffenen ein eigenständiges Leben ermögliche. Bald schon aber würden auch tolle Serviceroboter auf den Markt kommen, die einkaufen, Fenster putzen und vieles mehr. Dabei handle es sich  zwar zweifellos um eine tolle Technologie, die Umwelt- und Energiebilanz müsse man jedoch im Auge behalten, gab der Robotik-Professor zu bedenken. So erfordere der Einsatz von beispielsweise nur einer Million Serviceroboter weltweit bis zu 200 neue Kraftwerke zur Deckung des Energiebedarfs. „Wir sollten daher auch ab und zu darüber nachdenken, was wir wirklich brauchen“, mahnte Ertl.

Über die steigende Gefahr von Cyber-Attacken, wenn immer mehr intelligente Messsysteme bei Energieversorgern und Unternehmen zum Einsatz kommen, sprach Professor Dr. Tobias Eggendorfer von der Hochschule Ravensburg-Weingarten. Die Schäden durch infizierte Software, die nur gegen Bezahlung behoben würden, seien schon jetzt immens. Auch die Gefahr, dass Codes von Funkschlüsseln bei Autos, Garagentoren, Hoteltüren und anderswo abgefangen oder Messsysteme manipuliert werden, steige stetig. „Das sind erschreckende Szenarien“, so Eggendorfer. Eine Evolution zu Cyber Crime 5.0 finde allerdings nicht unbedingt statt, gab er zu bedenken. „Wir haben nur alte Fehler im neuen Kontext entdeckt.“ Die Ausnutzung von Buffer-Overflows (Pufferüberläufen) beispielsweise gehöre zu den häufigsten Angriffsmethoden, mit denen Kriminelle versuchten, Schadsoftware auf PCs unterzubringen. Erstmals erwähnt worden seien Buffer Overflows bereits 1972, so Eggendorfer. Entsprechende Gegenmaßnahmen seien seit 1990 standardisiert worden. Bedenklich sei allerdings, dass die IT-Sicherheit in einigen Unternehmen immer noch einen zu geringen Stellenwert habe. „Wir fangen vielfach nicht dort an, wo die Sicherheitsprobleme liegen, sondern korrigieren an anderer Stelle.“ Auch Software-Entwickler verfügten häufig nicht über dringend erforderliche Qualifikationen und wüssten teilweise nicht, was Sicherheitsschutz ist. „Wir machen dieselben Fehler wie seit 40 Jahren“, bedauerte der Professor. „Cyber Crime 5.0 ist eigentlich Cyber Crime 1.0 – nur mit teureren Schäden.“

Schlüsseltechnologien für die Energiewende
„Batterien und Brennstoffzellen sind Schlüsseltechnologien für eine stabile und sichere Stromversorgung und emissionsfreie Mobilität auf der Basis erneuerbarer Energien“, so  Professor Dr. Werner Tillmetz, Mitglied der Fakultät für Naturwissenschaften der Universität Ulm. Die Batterien erlebten zurzeit zwar einen Aufschwung, die Anzahl der Anwendungen, die man mit der Brennstoffzelle sinnvoller erledigen könne, sei aber deutlich größer. Bei Stadtbussen, Reiselimousinen für längere Distanzen oder auch bei Eisenbahnen auf nicht elektrifizierten Strecken seien mit Wasserstoff betriebene Brennstoffzellen-Antriebe geeigneter, so Tillmetz. Für große Fahrzeuge und große Reichweiten würden große Energiemengen benötigt. Geeignete Batterien wären da sehr groß, sehr schwer und letztlich auch zu teuer. Mit Brennstoffzellen und der Energiespeicherung im Wasserstoff könne dies kompakter und billiger realisiert werden. Batterieantrieb, so Tillmetz, sei prädestiniert für den Stadtverkehr und für kleinere Fahrzeuge. Wasserstoff punkte im Übrigen auch in puncto Sicherheit gegenüber fossilen Brennstoffen. „Das Gefahrenpotenzial ist erwiesenermaßen deutlich geringer als beispielsweise bei Benzin“, so Tillmetz. Dies hätten auch Crash-Tests ergeben. „Das ist richtig langweilig, da passiert nichts.“

Dass das Thema Wasserstoff „endlich auch in Deutschland in den Fokus rückt – nicht nur in der Forschung und auch nicht ausschließlich im Bereich E-Mobilität“, wünscht sich Alexander Henzler, Geschäftsbereichsleiter Energie, Kirchner Energiedienstleistungen aus Weingarten. „Schließlich ist Wasserstoff vielfach einsetzbar und kann immer wieder erzeugt werden.“ Zusammen mit weiteren regionalen Unternehmen stellte Kirchner begleitend zur Veranstaltung innovative Produkte und Messanalysen vor. In Sachen emissionsfreie Mobilität verwies Ellen Poot, Produktmanagerin Strom und Mobilität bei den Technischen Werken Schussental (TWS), auf professionelle kundenindividuelle Lösungen für ein intelligentes phasenoptimiertes Last- und Lademanagement für alle Anwendungsbereiche der Lade-Infrastruktur. „Das Ziel ist eine hohe Verfügbarkeit, Betriebssicherheit sowie eine intelligente Nutzung vorhandener Leistungsressourcen bei vollständiger Flexibilität und Skalierbarkeit der Ladepunkte.“

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