WEINGARTEN – Zu einem internationalen Symposium mit anschließendem Konzert hatte das Alevitische Bildungswerks „Sah Ibrahim Veli“ Ravensburg anlässlich des 500. Todestages des Dichters und Staatsmannes Sah Ismail Hatayi eingeladen. Rund 150 Personen waren dazu in die Aula der PH Weingarten gekommen. Im Zentrum der Veranstaltung standen das Leben und die Dichtung von Sah Ismail Hatayi, dessen mystisch-philosophische Gedankenwelt eine große Rolle für die alevitische Tradition einnimmt.
„Vor 10 Jahren zelebrierten wir hier an der PH-Weingarten die Eröffnungsfeier zum Erweiterungsstudiengang Alevitische Religionspädagogik. Heute begehen wir mit dem 500. Todestag von Sah Ismail Hatayi das mittlerweile 3. Internationale Symposium zum Alevitentum an der PH-Weingarten“, begrüßte Hasan Gazi Ögütcü, Vorsitzender des Alevitischen Bildungswerkes „Sah Ibrahim Veli“ in Ravensburg die Anwesenden. Ein besonderes Anliegen des Alevitischen Bildungswerkes sei es das kulturelle Erbe der Aleviten zu bewahren, aber auch einer breiten Öffentlichkeit zugänglich zu machen und Wissenschaftler miteinander zu vernetzen. Eine davon ist Dr. Handan Aksünger-Kizil, Professorin für Alevitische-Theologische Studien am Lehrstuhl für Islamisch-Theologische Studien der Universität Wien, die die Moderation des Symposiums übernahm. Grußworte sprachen Prof. Dr. habil. Karin Schweizer, Rektorin der PH-Weingarten. Martin Diez, Integrationsbeauftragter der Stadt Ravensburg, betonte in seinem Grußwort, wie wichtig interkulturelle Begegnung sei und diese Veranstaltung dazu beitrage.
Über Zoom zugeschaltet war Hürrem Veliyettin Ulusoy, religiöser Leiter des Haci Bektas Veli Dergahi [Alevi-Bektaschi-Derwisch-Orden, Haci Bektas ist ein wichtiger alevitischer Geistlicher (Pir)] der sich wissenschaftlich mit interkultureller Theologie und Philosophie beschäftigt hat und sich aktiv für den Dialog zwischen verschiedenen Glaubensgemeinschaften und die Anerkennung und Rechte der Aleviten einsetzt. Dr. Raoul Motika, Professor für Turkologie an der Universität Hamburg, bekräftigte in seinem von Ögütcü verlesenen Grußwort die Bedeutung der mystischen Dichtung Hatayis als Kulturerbe der Menschheit, das durch die in Deutschland lebenden Alevitinnen und Aleviten als wertvoller Teil der deutschen Gesellschaft auch zu einem Mosaikstein „unserer Kultur hier in Deutschland“ werde.
Eröffnungsreden hielten Dr. Erdal Toprakyaran, Professor für Islamische Geschichte und Gegenwartskultur an der Universität Tübingen und Dr. Robert Langer, Professor für Religionswissenschaft an der Universität der Bundeswehr, der über Zoom zugeschaltet war. Im Anschluss führte Ismail Kaplan, ehemaliger Bildungsbeauftragter der Alevitischen Gemeinde Deutschland, in biografische und historische Aspekte des Herrschers, Dichters und Gelehrten Hatayi ein. Er wurde 1487 in Ardabil (heute Iran) geboren wurde und starb 1524 in Täbris. Er war von 1501 bis zu seinem Tod Schah von Persien und begründete die Safawiden-Dynastie. Im Anschluss gab. Dr. Abdurrahman Gülbeyaz , Professor für Globale Geistes-und Sozialwissenschaften an der Universität Nagasaki Einblicke in die mystisch-philosophische Gedankenwelt von Sah Ismail Hatayi, die im zweiten Teil der Veranstaltung durch Rezitation, Gesang und Instrumentalmusik erlebbar wurde.
Ismail Kaplan und Prof. Dr. Abdurrahman Gülbeyaz hatten beide anlässlich des Symposiums Texte von Hatayi ins Deutsche übertragen, die von Rezitatorin Susanne Droste-Gräff vorgetragen wurden. Darunter auch das Gedicht „Miraclama“ (= Himmelfahrt) in dem Hatayi die himmlische Reise des Propheten Mohammeds aufgreift, die ein Symbol für den spirituellen Aufstieg des Einzelnen zu Gott ist. Es ist zentraler Bestandteil der alevitischen Rituale, um den Glauben zu festigen. Eingebettet in das Gedicht wurde ein so genannter Semah-Tanz. Auch er ist Bestandteil der alevitischen Rituale und erinnert an kreisende Tänze von Kranichen, Frauen und Männer sind hier, wie generell im Alevitentum, gleichberechtigt.
Im Konzertteil der Veranstaltung wechselten von Susanne Droste-Gräff auf Deutsch vorgetragene Gedichte Hatayis und Vertonungen einander ab. Zunächst spielte und sang eine Formation aus Baglamas. Baglamas, auch Saz genannt, sind Lauten, die im Alevitentum wesentlicher Bestandteil des Versammlungsrituals sind. Der Formation gehörten an die Musikerin Seyda Aktas, die an der Popakademie Mannheim studiert, ihre Schwester Sera Erol, Musiker Ugur Gülbas, Absolvent des Konservatoriums der Ege Universität in Izmir, sein Sohn Can Gülbas und Serdal Kizil.
Die Musikerin Nur Deniz Kaplan, die in Ankara Gesang und Klavier studiert hat, sang drei Vertonungen von Hatayis Gedichten und begleitete sich mit der Gitarre. Mit einer dritten Künstlergruppe um Petra Nachtmanova (Baglama), Turan Vurgun (Kanun) und Prof. Dr. Abdurrahman Gülbeyaz (Handtrommel) endete die Kulturveranstaltung.
Das Symposium und das Konzert bildeten den Auftakt einer internationalen Online-Vortragsreihe, die in den kommenden Wochen fortgesetzt wird. Die nächsten Termine sind am 19.,20.,26. Oktober und 2. November. Information und Anmeldung bei Hasan Gazi Ögütcü unter hasan.oeguetcue@gmail.com


