WANGEN – Das Leben kennt manchmal keine Gnade. Am Tag vor der Beerdigung ihrer Mutter, die sie jahrelang gepflegt hatte, erfuhr Anka Bonkowsky, dass sie Brustkrebs hatte. „Die Diagnose war für mich ein Schock, sie kam völlig aus dem Nichts, ich ging ja seit Jahrzehnten zur Vorsorge. Ein Tumor, den ich weder fühlte noch sah, er tat mir nicht mal weh. Ich stand völlig neben mir.“ Anka Bonkowsky beerdigte ihre Mutter, fuhr ein paar Tage weg – und fasste dann den Entschluss, nicht aufzugeben, den Kampf gegen den Krebs aufzunehmen. Es war ein harter Kampf, der ihr Haare, Haut, Nerven und vor allem Tränen kostete – aber sie überstand ihn.
Heute, zwei Jahre, eine Chemotherapie, eine Operation und 28 Strahlentherapie-Sitzungen in insgesamt drei bayrischen Kliniken später, kann die 62-Jährige aus Oberstaufen wieder optimistisch in die Zukunft blicken. Anka Bonkowsky gilt als geheilt, sie gehört zu den inzwischen mehr als 90 Prozent der Frauen, die Brustkrebs überleben. Als sie beim Informationsabend im Wangener Westallgäu-Klinikum den Vortrag über ihren Leidensweg beendet, klatschen die Zuhörer lange. Weil sie gelitten hat, aber nicht aufgab, vor allem aber, weil sie mutig genug war, sich von überall her Unterstützung zu suchen – etwa in der Frauenselbsthilfe-Gruppe in Isny. Wöchentlich treffen sich hier Betroffene, um sich gegenseitig Rat zu geben, um von ihren Erfahrungen mit Therapien zu berichten oder auch einfach nur, um sich selbst und den anderen Halt zu geben. „Es ist unglaublich, wie herzlich ich dort aufgenommen wurde“, sagt Anka Bonkowsky. Denn besonders am Anfang hatte sie sich „sehr allein gelassen gefühlt mit all den Fragen und Problemen“.
Die Patientinnen nicht allein zu lassen – jede achte Frau erkrankt in ihrem Leben an Brustkrebs –, das ist auch das Ziel der onkologischen Fachpflegerin Renate Traut, die gemeinsam mit dem Team von Dr. Elmar Mauch, Chefarzt der Frauenklinik und Leiter des Brustzentrums in Wangen, den Abend veranstaltete – in Kooperation mit dem Programm Mamma Mut der Firma Lilly. Wie im Vorjahr blieben danach kaum noch Fragen offen.
Medizinisch im Fokus stand die Strahlentherapie, die Patientinnen aus Wangen auch am St. Elisabethen-Klinikum in Ravensburg absolvieren können. Mit dem EK unterhält das Westallgäu-Klinikum seit mehr als zwei Jahrzehnten ein gemeinsames, zertifiziertes Brustzentrum, in dem Frauen nach höchsten medizinischen Standards und neuesten wissenschaftlichen Erkenntnissen interdisziplinär behandelt werden. „Die Medizin hat in der Brustkrebs-Therapie rasante Fortschritte erzielt: War vor 40 Jahren noch die Mastektomie, die Entfernung der Brust, Standard bei der OP, ist inzwischen in drei Viertel aller Fälle eine brusterhaltende Therapie möglich“, erläuterte Dr. Mauch. Der Chefarzt sprach alle gängigen Formen moderner Therapie an – von antihormonellen bis zielgerichteten Therapien, etwa Antikörper- und Immuntherapien – und berichtete auch über die Fortschritte bei onkoplastischen Operationen und Rekonstruktionen.
Dass das Risiko, an Brustkrebs zu sterben, immer geringer wird, liegt auch an der Strahlentherapie. „Durch die Bestrahlung nach der Operation werden verbliebene Krebszellen zerstört und das Rückfallrisiko gesenkt“, sagte Renate Traut, die den Behandlungsverlauf dezidiert beschrieb. In der Regel beginnt die Therapie sechs Wochen nach der OP und/oder drei Wochen nach Ende der Chemotherapie. In täglichen, 15-Minuten langen Sitzungen – die reine Bestrahlung dauert dabei nur zwei Minuten – wird die DNA der Krebszellen zerstört. Dabei wird nur jener Bereich millimeterexakt bestrahlt, der erkrankt ist oder erkrankt sein könnte. Strahlentherapie ist dank der CT-Aufnahmen, dank futuristischer Physik und Medizintechnik inzwischen so sicher wie Raumfahrttechnik. Zuweilen auftretende Nebenwirkungen wie Rötungen und Brennen sind lästig, können aber gelindert werden. Das Brustzentrum weiß auch hier Rat – mit seiner Krebsberatungsstelle, mit Psychoonkologischer Betreuung oder durch Fachpflegerinnen wie Renate Traut, die bereits hunderte Patientinnen betreut und passende Hautpflege- und Verhaltenstipps ebenso parat hat wie sämtliche Hilfsadressen für jedes individuelle Problem.
In Wangen etwa machte sie aus dem grippebedingten Ausfall der Wundexpertin und Onkologie-Pflegerin Hildegard Kerler eine Tugend und präsentierte stattdessen Irina Weiss aus Immenstaad am Bodensee als Referentin. Die Volljuristin, Mediatorin und Yogalehrerin hat Ausbildungen zur Natur-Resilienz-Trainerin, im Waldbaden und als Naturcoach absolviert. In ihren Kursen lernen Menschen, wie sich Waldboden barfuß anfühlt, wie Blätter schmecken oder wie das Streicheln über Moos die Sinne anregt. „Zahllose Studien belegen, dass die Farben, der Duft, der Geschmack und das Spüren und Fühlen der Natur und des Waldes positive Auswirkungen auf die Gesundheit von Menschen hat, insbesondere von Erkrankten“, sagt Weiss. „Waldbaden stärkt das Immunsystem und hilft auch gegen depressive Verstimmungen. In Japan wird es inzwischen sogar von den Krankenkassen bezahlt – als offizielle Therapie.“
Auch ein schönes Äußeres kann das Innere heilen. Wie, erläuterte Nicole Schmitz-Bernt aus Bad Wurzach, eine Psychotherapeutin, die im Vorjahr in Lindenberg zur deutschen Hutkönigin gewählt wurde und nun Mitmach-Workshops mit dem Titel „Hoffnung ist schön“ anbietet. Die 42-Jährige erkrankte 2017 ebenfalls an Brustkrebs. Nach dem Ausfall der Haare, Wimpern und Augenbrauen durch die Chemotherapie lernte sie damals, wie schöne Hüte ihr wieder neues Selbstbewusstsein geben. „Das Ausprobieren der Hüte brachte mir ein Stück Lebensfreude zurück und half mir dabei, mich wieder wie ich selbst zu fühlen. Es hat auch etwas Spielerisches. In unseren Workshops können alle Themen zur Sprache kommen, die existenziellen, ernsten, aber auch die leichten.“
Und die beste Ernährung bei Krebs, die ganzen Mythen, die darüber kursieren? „Die sind mit Vorsicht zu genießen. Auch bei Krebs empfehlen wir eine mediterrane Ernährung. Wasser trinken, reichlich Gemüse, Obst, Hülsenfrüchte und Nüsse essen, wenig Süßes, Salziges und Fettiges, dafür viel hochwertige pflanzliche Öle und Vollkorn. Fleisch und Wurst in Maßen“, sagt Diätassistentin Tamara Sutter. „Vor allem aber sollten Menschen die Mahlzeiten genießen – und immer in Bewegung bleiben.“
Das macht auch Anka Bonkowsky. Kürzlich sei sie mit ihrer Tochter auf den Grünten und den Hohen Ifen gestiegen, und einmal in der Woche fahre sie zur MTG Wangen, die in Kooperation mit der Klinik eine speziell auf Krebspatienten zugeschnittene Onkologische Trainingstherapie anbietet. „Wenn ich mich bewegen kann“, sagt Anka Bonkowsky, „fühle ich mich gleich besser.“


