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Unsichere Zukunftsaussichten bei derzeit noch guter Geschäftslage

Grafik: IHK Bodensee-Oberschwaben

„Die konjunkturelle Lage hat sich seit Jahresbeginn in der Region sogar verbessert. Die Industrieunternehmen konnten trotz des Ukraine-Kriegs und dessen Folgen noch etwas zulegen. Gleichzeitig wirken die Lockerungen der Corona-Maßnahmen belebend auf den Umsatz im stationären Einzelhandel oder bei Dienstleistern wie der Gastronomie“, berichtet IHK-Präsident Martin Buck aus den aktuellen Ergebnissen der IHK-Konjunkturumfrage vom April. Rund 55 Prozent der Unternehmen beurteilen ihre Geschäftslage darin als gut, etwa 35 Prozent als befriedigend, unverändert knapp zehn Prozent sehen sich in einer schlechten Geschäftslage.

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Beschäftigungspläne noch stabil
Die momentan noch stabile Lage zeigt sich unter anderem darin, dass die Unternehmen ihre Beschäftigungspläne aktuell noch nicht nach unten korrigiert haben. Im Vergleich zur Vorumfrage im Januar fast unverändert suchen 25 Prozent von ihnen Personalverstärkung, 62 Prozent planen keine Änderung, 13 Prozent gehen von einer sinkenden Beschäftigtenzahl aus. Bei den Investitionen lässt sich eine leichte Zurückhaltung ablesen, aber immer noch 73 Prozent planen mit gleichbleibenden oder steigenden Investitionen. Hauptmotive sind dabei neben Ersatzinvestitionen auch Maßnahmen im Rahmen der Digitalisierung sowie zur Steigerung der Energieeffizienz.

„Die Betriebe brauchen die Möglichkeit, Verluste aus den Krisenjahren 2020, 2021 und 2022 mit früheren oder künftigen Gewinnen verrechnen zu können. Das wäre in diesen Krisenzeiten eine notwendige Unterstützung durch die Politik – auch als Anreiz für Investitionen –, um wettbewerbsfähig und erfolgreich bleiben zu können.“

Martin Buck, Präsident IHK Bodensee-Oberschwaben

Kostendruck und Risiken trüben die Erwartungen
Die Rahmenbedingungen insgesamt verschärfen sich allerdings zunehmend: Mittlerweile sehen rund 80 Prozent aller Unternehmen die Energiepreise als Hauptrisiko für ihre weitere Geschäftsentwicklung, die Rohstoffpreise liegen mit 70 Prozent der Nennungen auf Platz 2. Der Fachkräftemangel rückt angesichts dieser elementaren Risiken etwas zurück, er bleibt aber weiterhin mit 64 Prozent der Nennungen im Blick der Unternehmen. Auch die Sorge um die Arbeitskosten hat seit der vergangenen IHK-Umfrage merklich zugenommen (um rund 10 Prozentpunkte auf 47 Prozent der Nennungen). Angesichts dieser Risiken trüben sich die Erwartungen deutlich ein: Mit 22 Prozent überwiegen die positiven die negativen Erwartungen nur knapp. Die große Mehrheit von 57 Prozent der Betriebe ist aktuell der Meinung, dass die Geschäfte gleichbleibend weiterlaufen werden. „Die Lage wirkt allerdings nur auf den ersten Blick stabil: Unsere Erwartungen gehen ganz klar dahin, dass die konjunkturelle Erholung in der Region stark gefährdet ist. Es ist kaum abschätzbar, wie sehr die Krise unsere Wirtschaft noch treffen wird“, so der IHK-Präsident: „Gerade die massiven Preissteigerungen bei für die Industrie lebenswichtigen Rohstoffen, der Stress auf die Lieferketten und die unabsehbaren Folgen für diese durch den aktuellen Lockdown in Shanghai, die hohe Inflation und obendrauf noch das drohende Ende der Versorgung mit gut bezahlbarem Gas aus Russland bedrohen die Erholung nach der Coronakrise aktuell massiv.“

Politik muss für Stabilität und Energiesicherheit sorgen und Abhängigkeiten reduzieren.
Umso wichtiger sei es, so viel Stabilität wie möglich in alle beeinflussbaren Rahmenbedingungen zu bringen, mahnt IHK-Präsident Buck. Dazu zähle eine Verminderung der Energieabhängigkeit von Russland ebenso wie der beschleunigte Ausbau der Erneuerbaren Energien und der Stromnetze. „Die Unternehmen arbeiten zudem an widerstandsfähigeren Lieferketten und das kann ihnen nur auf der Basis belastbarer Handelsverträge gelingen. Dabei ist es unumgänglich, dass wir als Volkswirtschaft unsere Rohstoffquellen global stärker diversifizieren, um weniger von einzelnen autoritären Regimen abhängig zu sein“, stellt Buck klar. „Wir können es uns politisch und wirtschaftlich nicht leisten, von einzelnen Ländern in Geiselhaft genommen zu werden und erpressbar zu sein. Dennoch, langfristig sind Frieden und gute internationale Zusammenarbeit die einzige gute und vernünftige Lösung. Schließlich leben wir zwar in unterschiedlichen Ländern, aber alle auf einer Erdkugel. Den Glauben daran dürfen wir nicht verlieren!“

Hintergrund

*An der Konjunkturumfrage „Frühjahr 2022“ haben sich 215 Unternehmen aus der Region Bodensee-Oberschwaben beteiligt. Die Befragung fand vom 4. bis 20. April statt. Bei der IHK-Konjunkturumfrage werden Unternehmen einerseits zu ihrer aktuellen Geschäftslage und der Entwicklung von Umsatz und Ertrag in den vergangenen vier Monaten befragt. Andererseits werden nach den Fragen zum Ist-Zustand der Unternehmen Fragen zu deren Einschätzung der wirtschaftlichen Entwicklung in den kommenden Monaten gestellt. Indikatoren für die Zukunft sind zum Beispiel die allgemeinen Erwartungen, die Auftragseingänge, die Umsatzerwartungen oder – insbesondere in der Industrie – die Exporterwartungen. Wichtige weitere Indikatoren für die Zukunft sind die Investitions- und Beschäftigungspläne der Unternehmen, die ebenfalls abgefragt werden. Die IHK-Konjunkturberichterstattung beginnt in der Regel mit der Beschreibung der aktuellen Lage und führt dann zu den Erwartungen und Plänen der Unternehmen in der Zukunft.

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