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IHK-Vollversammlung weiterhin im Zeichen von Krieg und Energiekrise

: IHK-Präsident Martin Buck (links) mit Dr. Sönke Voss. Bild: IHK/PhotoArt Hund

Region Bodensee-Oberschwaben: Die Vollversammlung der Industrie- und Handelskammer Bodensee-Oberschwaben tagte in ihrer Herbstsitzung am vergangenen Mittwoch in Weingarten und befasste sich schwerpunktmäßig mit dem Thema Cybersicherheit. 

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Die Vollversammlung der Industrie- und Handelskammer Bodensee-Oberschwaben (IHK) tagte am vergangenen Mittwoch bei ihrer Herbstsitzung in den Räumen der IHK in Weingarten. Noch immer sei die Lage im Zeichen von Krieg und Energiekrise dramatisch, bedauerte IHK-Präsident Martin Buck in seiner Begrüßung. Die IHK nutze alle zur Verfügung stehenden Kanäle, um die Sorgen, Nöte und Lösungsvorschläge aus der Wirtschaft in der Politik zu platzieren. „Insbesondere die Themen Energieversorgungssicherheit und Energiepreise konnten wir, auch im Zusammenwirken mit dem Deutschen Industrie- und Handelskammertag – DIHK, in der politischen Debatte platzieren“, so Buck weiter. In einem Brief an die regionalen Abgeordneten habe die IHK nicht nur die Mobilisierung aller konventionellen Kraftwerke zur Energieversorgung, sondern auch Entlastungen bei den Energiepreisen, Hilfen für in Not geratene Unternehmen und einen Abbau von bürokratischen Bremsen für die Energiewende gefordert. „Alle diese Punkte finden sich in den aktuellen Paketen der Bundesregierung. Genauso das von uns geforderte Moratorium für weitere Bürokratiebelastungen“, so der IHK-Präsident. Auf ein ausgewogenes Verhältnis von Entlastungen und Einsparanreizen für Energie zu setzen, sei genau der richtige Ansatz. Wichtig sei jetzt, dass die Bundesregierung die Vorschläge rasch in Gesetze umsetze, um den Unternehmen mehr Planungssicherheit für den Winter zu geben. Auch was den Strompreisdeckel angehe, brauche es jetzt rasch Signale und dann schnellstmöglich ein klares Konzept, wie die Hilfen umgesetzt werden, ohne unverhältnismäßigen bürokratischen Aufwand für die Wirtschaft mit sich zu bringen. Buck: „Die Unternehmen brauchen aktuell alle verfügbaren Kräfte, um ihr wirtschaftliches Überleben über den Winter hinaus zu sichern.“

Schwerpunktthema Cybersicherheit
Einer aktuellen Studie zufolge seien 46 Prozent aller Unternehmen in Deutschland in den vergangenen zwölf Monaten von einer Cyberattacke betroffen gewesen, berichtete IHK-Präsident Buck. Er verwies außerdem auf den aktuellen Angriff auf die IT-Strukturen der IHK-Organisation. Dieser sei zwar gestoppt worden, bevor größerer Schaden entstanden sei, dennoch hätten viele Services der IHK Bodensee-Oberschwaben sowie E-Mail und Telefon über zwei Monate nur eingeschränkt zur Verfügung gestanden. Insbesondere die zunehmende Digitalisierung sowie die aktuelle geopolitische Lage machten klar, dass jedes Unternehmen heute mit dem Risiko umgehen müsse, Opfer eines Cyberangriffs zu werden. Aus diesem Grund habe man das Thema zum Schwerpunktthema der Vollversammlungssitzungssitzung gemacht. Als Experte geladen war Torsten Seeberg, Beamter in der Zentralen Ansprechstelle Cybercrime (ZAC) des Landeskriminalamts Baden-Württemberg. Er stellte klar: „Der Wirtschaftsstandort steht durchgehend im Fokus von Cyberkriminellen.“ Spezielle Suchmaschinen böten Hackern einen einfachen Überblick über angreifbare Rechnernetze. Diese würden dann automatisiert angegriffen. Es könne jedes Unternehmen treffen, insbesondere wenn dessen IT-Infrastruktur Sicherheitslücken aufweise. Seeberg ermutigte zugleich die betroffenen Unternehmen: „Nehmen Sie im Schadensfall unmittelbar Kontakt mit uns auf. Wir unterstützen sowohl bei akuten Abwehrmaßnahmen als auch bei der Wiederherstellung und Sicherung der Systeme.“ Die im Jahr 2012 ins Leben gerufene ZAC sei an 365 Tagen im Jahr rund um die Uhr erreichbar, „notfalls werden Beamte auch nachts oder aus dem Urlaub heraus kontaktiert“. ZACs gebe es in allen 16 Bundesländern und auf Ebene des Bundes. Deren Kompetenzteam umfasse vor allem klassische Kriminalpolizistinnen und Polizisten, aber auch Informatikerinnen und Informatiker, alle speziell geschulte Expertinnen und Experten für Cyberkriminalität. Neben der Verfolgung von Straftaten sei die ZAC auch in Sachen Prävention unterwegs – mit Unterlagen, Warnmeldungen, Awareness-Vorträgen, Situationsberichten, Messeauftritten und vielem mehr.

Seeberg appellierte an die anwesenden Unternehmerinnen und Unternehmer: „Investieren Sie Zeit, Personal und Geld in das Thema Sicherheit. Die von uns registrierten Fälle von Cyberkriminalität nehmen von Jahr zu Jahr weiter zu.“ Sicherheitsrisiken lägen vor allem in der Nutzung mobiler oder privater Geräte, in der „Sorglosigkeit“ und Unwissenheit der Belegschaft – aber auch bei IT-Mitarbeitenden und externen IT-Dienstleistern, warnte er. Regelmäßige Fortbildungen seien für IT-Mitarbeiterinnen und -Mitarbeiter ein Muss, so Seeberg. Der Cybersicherheits-Experte empfahl den Wirtschaftsvertreterinnen und -vertretern zudem, betriebskritische IT-Systeme oder sensible Datenbanken ohne direkte Internetanbindung einzurichten und eine Checkliste für den Notfall vorzubereiten.

Von dem Cyber-Angriff auf die IHK-Organisation berichtete im Anschluss Dr. Sönke Voss, neu bestellter Hauptgeschäftsführer der IHK Bodensee-Oberschwaben. Am Abend des 3. August habe der zentrale Dienstleister der deutschen IHKs, die IHK-Gesellschaft für Informationsverarbeitung (GfI), verdächtige Aktivitäten auf ihren Servern registriert. Um den Schaden zu begrenzen, hätten die deutschen IHKs vorsorglich ihre Online-Dienste heruntergefahren und ihre zentrale Infrastruktur vom Internet getrennt. „Wir mussten von einem Tag auf den anderen auf Papier, Post, Telefonate und weitere analoge Prozesse umsteigen, um die zahlreichen Services, Verwaltungsverfahren und die politische Interessenvertretung aufrechtzuerhalten“, so Voss. Der Angriff habe abgewehrt werden können, bevor durch Abfließen oder Verschlüsseln von Daten größerer Schaden entstanden sei. Aufgrund der Komplexität des Angriffs und des erforderlichen Aufwands zur Härtung, Säuberung und Absicherung der Systeme würden die Dienste der IHKs und die einzelnen Kammern nur nach und nach wieder online gehen. Die IHK Bodensee-Oberschwaben ist seit 6. Oktober wieder weitgehend online.

Aktuelles aus der IHK-Arbeit

Studie zur Standortzufriedenheit:
Bettina Wolf, Referentin der IHK im Geschäftsbereich Unternehmensförderung und Regionalentwicklung, informierte die Vollversammlungsmitglieder über die Ergebnisse der IHK-Umfrage zur Standortzufriedenheit. „Mit der Gesamtnote 2,17 geben die Unternehmen in der Region Bodensee-Oberschwaben ihrem Wirtschaftsstandort gute Noten“, so Bettina Wolf. Dies liege auf dem gleichen Niveau wie die Note 2,12 aus der Umfrage aus dem Jahr 2017. Damals habe aber eine anhaltend gute Konjunktur geherrscht. Die Standortumfrage wurde von Mitte Februar bis Ende April zeitgleich mit den IHKs Ulm und Reutlingen sowie mit Unterstützung des EWAS-Instituts für Empirische Wirtschaftsforschung und angewandte Statistik in Hannover durchgeführt, berichtete Wolf. „Wir haben 11.864 Unternehmen angeschrieben und 1.595 Antworten erhalten.“ Durch den hohen Rücklauf in Höhe von 13,4 Prozent lägen repräsentative Ergebnisse für die ganze Region, die drei Landkreise Ravensburg, Sigmaringen und Bodenseekreis sowie 20 Kommunen vor. Die Unternehmen konnten ihre Bewertungen und Anmerkungen zu 32 Standortfaktoren in den vier Feldern „Infrastruktur und Verkehr“, „Fachkräfte und Bildung“, „Attraktivität ihrer Stadt und Gemeinde“ sowie „Verwaltung und Kommunalpolitik“ abgeben. Als größte Stärken der Wirtschaftsregion nannten die antwortenden Unternehmen die Versorgungssicherheit mit Strom, die allgemeine Sicherheit, Einkaufsmöglichkeiten, Sport- und Freizeitangebote sowie die medizinische Versorgung. Dringenden Handlungsbedarf sähen sie vor allem bei der Mobilfunk-Netzabdeckung und Breitbandversorgung, bei der Verfügbarkeit von Wohnraum und von beruflich qualifizierten Fachkräften sowie bei den Kosten für Gewerbeimmobilien. Die IHK werde jetzt in interessierten Kommunen mit repräsentativen Umfrageergebnissen ihre Standortumfrage vorstellen, mit den politischen Entscheiderinnen und Entscheidern diskutieren und Handlungsempfehlungen geben, so Wolf.

Die IHK-Referentin gab auch einen kurzen Ausblick auf die aktuell durchgeführte Herbst-Konjunkturumfrage der IHK. Die Auswertung sei zwar noch nicht abgeschlossen und es gebe noch keine konkreten Zahlen, aber es zeichne sich ab, dass sich die regionale Konjunktur abgekühlt habe. „Die Unternehmen beurteilen ihre aktuelle Geschäftslage deutlich verhaltender als bei der vergangenen Umfrage und die Erwartungen sind stark eingebrochen – im zweistelligen Bereich“, so Bettina Wolf. Die Auftragseingänge verzeichneten einen Rückgang. Dies habe auch negative Auswirkungen auf die Investitions- und Beschäftigungsabsichten der Unternehmen. Außerdem werde neben den hohen Energie- und Rohstoffpreisen immer noch der Fachkräftemangel beklagt. Zudem gebe zwar die Mehrheit der Unternehmen an, dass die aktuelle Finanzlage unproblematisch sei, allerdings gebe es bei einigen bereits Liquiditätsengpässe und einen Rückgang des Eigenkapitals.

Aktuelle Ausbildungszahlen: Die Zahl der neu eingetragenen Ausbildungsverträge verzeichne zum Stichtag 30. September mit 2.251 Verträgen einen Zuwachs um 0,8 Prozent gegenüber dem Vorjahr, informierte IHK-Ausbildungsberater Clemens Besenfelder die Vollversammlungsmitglieder. 1.146 Ausbildungsverträge gebe es in den kaufmännischen Berufen, 922 in den gewerblich-technischen Berufen und 183 in den Hotel- und Gaststättenberufen. Trotz eines Zuwachses bei den Industrie- und Bankkaufleuten sei die Zahl der Neuverträge in den kaufmännischen Berufen um 3,5 Prozent gesunken, bedauerte Besenfelder. Gestiegen sei die Zahl der Ausbildungsverträge hingegen in den gewerblich-technischen Berufen um 2,6 Prozent und in den Hotel- und Gaststättenberufen sogar um 24,5 Prozent. Letzterer Anstieg sei allerdings auch auf die zum 1. August 2022 in Kraft getretene Neuordnung der gastgewerblichen Berufe zurückzuführen. Auch IHK-Aktionen wie der „Sommer der Berufsausbildung“ seien wichtige Impulse, die den Jugendlichen die vielfältigen Chancen und Möglichkeiten einer dualen Berufsausbildung vermittelten, so Besenfelder.

 

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