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Landkreis RV

Ein Ständchen vor der Palliativstation

Bild:OSK

Es regnete in Strömen, als die Musiker aus Deuchelried im vergangenen September im Park des Westallgäu-Klinikums Aufstellung nahmen, doch sie ließen sich nicht davon beeindrucken. Die 25 Frauen und Männer wussten, was sie zu tun hatten. Sie trockneten ihre Notenhalter ab, sie spielten ihre Märsche mit der gleichen Konzentration wie immer, sie versuchten, gleichzeitig Haltung zu wahren und Herz zu zeigen, auch wenn das fast unmöglich war. Es galt, einem schwerkranken Musikkameraden und Freund am Fenster eine Freude zu machen, ihm die Ehre zu erweisen, vielleicht die letzte des gemeinsamen Lebens.

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Eine Stunde lang spielte die Musikkapelle aus dem Wangener Teilort für einen Mann, der sie über Jahrzehnte begleitet hatte und nun auf der Palliativstation lag. Und für jene Menschen, die sich um ihn kümmerten, die Pflegekräfte und Ärzte. Wenige Tage danach verstarb ihr Freund an seiner nicht mehr zu heilenden Krankheit. Aber die Musikkameraden waren bei ihm gewesen, hatten ihm nochmals gezeigt, dass sie an ihn denken und keiner allein gelassen wird in Wangen und Deuchelried.

„Dieser Besuch hat uns alle bewegt, auch ich selbst war wahnsinnig berührt. Wenn man solch eine menschliche Wärme spürt, so einen Zusammenhalt, dann profitieren alle davon, die das erfahren. Auch mit dem Palliativteam hat das etwas gemacht“, sagte Ulrike Ahner, Leiterin der Palliativstation, als ihr Team vor kurzem erneut Besuch von der Musikkapelle bekam. Johannes Zeh, Mitglied des MKD-Vorstandsteams, überreichte eine Spende von 350 Euro – die Einnahmen aus dem jährlichen Kalenderverkauf der Musiker – als Dank für die „überragende Arbeit Ihrer Station“, wie Zeh sagte. „Was Sie alle für unseren Kameraden in seinen letzten Tagen getan haben, ist nicht selbstverständlich.“ Auch ein Foto der Musikkapelle hatte Zeh dabei, auf dem Dankesschreiben steht: „Viele von uns haben unseren Freund in seinen letzten Tagen besucht. Wir konnten einen winzig kleinen Ausschnitt Eurer Arbeit miterleben und sehen, wie liebevoll und mit voller Hingabe ihr euren Job macht.“

Ulrike Ahner gab das Lob zurück. „Wir freuen uns sehr über diese Wertschätzung und waren sehr dankbar für den Besuch. Musik hat eine nicht zu unterschätzende Wirkung. Sie verbindet uns Menschen, sie muntert uns auf und kann uns trösten. Musiktherapie gehört nicht ohne Grund zu den Angeboten auf unserer Station. Eine Kollegin von uns sagt immer: Musik macht einfach glückselig.“

Johannes Zeh bestätigt das: „Wir sind in unserem Verein alle relativ eng, wir machen vieles zusammen, freuen uns über ein tolles Konzert, gehen danach einkehren, jeder kommt mit jedem klar, Alt und Jung. Darum ist es uns auch wichtig, zusammenzustehen, wenn es einem von uns nicht so gut geht“, sagte der 28-Jährige. „Als unser Freund gestorben ist, haben wir einen Blumenstrauß auf seinen Platz im Proberaum gelegt, wo er immer saß, als Zeichen, dass er immer noch bei uns ist. Wir haben uns Zeit genommen, Abschied zu nehmen, da zu sein, und genau das machen die Menschen auch auf dieser Station: Da muss nicht alles schnellschnell gehen, sondern man hat die Zeit für Menschlichkeit. Dass es solche Palliativstationen gibt, in denen nicht alles auf Effizienz getrimmt ist, ist gesellschaftlich unschätzbar wertvoll für uns alle, denn jeder von uns kann in die Lage kommen, wo er diesen Beistand braucht. Und nicht jeder hat einen Musikverein, der für ihn spielt – viele Menschen sind auch sehr einsam.“

Exakt das, inmitten der Einsamkeit und im Angesicht des Leids Geborgenheit zu schenken, das hätten die Deuchelrieder geschafft, ergänzte Ulrike Ahner. „Alle Patienten haben sich sehr über die Musik gefreut. Alle waren glücklich, dass es hier Menschen gibt, die an andere Menschen denken.“